11. November 2024 Europäischer Rat
Die 27 Mitgliedstaaten verabschiedeten am Freitag (8. November) in Budapest zusammen mit dem EU-Ratspräsidenten, Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, die „Erklärung von Budapest über das neue europäische Abkommen zur Wettbewerbsfähigkeit“.
„Angesichts neuer geopolitischer Gegebenheiten und wirtschaftlicher und demografischer Herausforderungen sind wir, die Führungsspitzen der Europäischen Union, fest entschlossen, unseren gemeinsamen wirtschaftlichen Wohlstand zu gewährleisten und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, während wir die EU zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen und die Souveränität, die Sicherheit, die Widerstandsfähigkeit und den globalen Einfluss der EU sicherstellen. Gestützt auf die Arbeit, die in Versailles begonnen und in Granada und Brüssel sowie im Rahmen der Strategischen Agenda fortgeführt wurde, werden wir die Union wettbewerbsfähiger, produktiver, innovativer und nachhaltiger gestalten und dabei auf den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt aufbauen und für Konvergenz und gleiche Wettbewerbsbedingungen sowohl innerhalb der Union als auch weltweit sorgen.
Wir begrüßen den Bericht „Weit mehr als ein Markt“ von Enrico Letta und den Bericht „Die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“ von Mario Draghi, in denen kritische Herausforderungen aufgezeigt und zukunftsorientierte Empfehlungen erteilt werden. Die beiden Berichte bilden eine gute Grundlage, auf der wir unsere Arbeit ehrgeizig voranbringen werden. Wir verstehen ihren Weckruf. Wir müssen dringend die Innovations- und Produktivitätslücke – sowohl gegenüber unseren globalen Wettbewerbern als auch innerhalb der EU – schließen. Wir werden in Einigkeit und Solidarität für das Wohl aller EU-Bürgerinnen und ‑Bürger, Unternehmen und Mitgliedstaaten arbeiten.
Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, müssen alle Instrumente und Politiken sowohl auf EU-Ebene als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten umfassend und kohärent genutzt werden. Ein „Weiter so“ ist keine Option mehr. Wir unterstreichen heute, dass dringend entschiedene Maßnahmen ergriffen werden müssen, um diesen Herausforderungen zu begegnen, und fordern – anknüpfend an die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom April 2024 – entschlossene und gemeinsame Anstrengungen in Bezug auf die folgenden Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit:
1. Verstärkung unserer Anstrengungen zur Gewährleistung eines voll funktionsfähigen Binnenmarkts und zur Erschließung seines vollen Potenzials als wichtiger Motor für Innovation, Investitionen, Konvergenz, Wachstum, Konnektivität und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit – zu diesem Zweck ersuchen wir die Kommission, bis Juni 2025 eine neue und umfassende horizontale Strategie zur Vertiefung des Binnenmarkts einschließlich eines Fahrplans mit klaren Fristen und Etappenzielen vorzulegen;
2. Verwirklichung entscheidender Schritte auf dem Weg zu einer „Spar- und Investitionsunion“ bis 2026 und Erzielung dringend notwendiger Fortschritte bei der Kapitalmarktunion – dadurch werden wahrhaft integrierte europäische Kapitalmärkte geschaffen, die allen Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen, insbesondere KMU und Start-up-Unternehmen, zugänglich sind. Dies dürfte unseren innovativen Unternehmen ermöglichen, ihre Geschäftstätigkeiten auszuweiten. Außerdem würden mehr Kapitalbeteiligungen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der EU bei kritischen Technologien beitragen. Auch bei der Vollendung der Bankenunion sind weitere Fortschritte erforderlich;
3. Gewährleistung unserer industriellen Erneuerung und Dekarbonisierung und es der EU ermöglichen, ein industrielles und technologisches Kraftzentrum zu bleiben – zu diesem Zweck werden wir eine europäische Industriepolitik entwickeln, um das Wachstum der Schlüsseltechnologien von morgen sicherzustellen, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf traditionellen Industrien, die sich im Wandel befinden, liegen wird. Wir ersuchen die Kommission, vorrangig eine umfassende Industriestrategie für wettbewerbsfähige Industrien und hochwertige Arbeitsplätze vorzulegen;
4. Einleitung eines revolutionären Vereinfachungsprozesses, der für einen klaren, einfachen und intelligenten Regelungsrahmen für Unternehmen sorgt und den Verwaltungs-, Regulierungs- und Meldeaufwand, insbesondere für KMU, drastisch verringert – wir müssen eine befähigende, auf Vertrauen basierende Denkweise einnehmen, die es Unternehmen ermöglicht, sich ohne übermäßige Regulierung zu entfalten. Zu den wichtigsten Zielen, die die Kommission unverzüglich umsetzen muss, zählen, im ersten Halbjahr 2025 konkrete Vorschläge zur Verringerung der Berichtspflichten um mindestens 25 % vorzulegen sowie in ihre Vorschläge auch Folgenabschätzungen in Bezug auf übermäßige Verwaltungslasten und Wettbewerbsfähigkeit aufzunehmen;
5. Verbesserung unserer Verteidigungsbereitschaft und ‑fähigkeit, insbesondere indem wir unsere technologische und industrielle Basis entsprechend stärken[1] – diesbezüglich werden der Hohe Vertreter und die Kommission unverzüglich ausgearbeitete Optionen für die öffentliche und private Finanzierung vorlegen. Wir werden außerdem das Potenzial der Weltraumindustrie nutzen;
6. Platzierung Europas an der Weltspitze in den Bereichen Forschung und Innovation, insbesondere bei bahnbrechende Technologien, und Erreichung des Ausgabenziels für FuE von 3 % des BIP bis 2030 – wir sind bereit, an Enrico Lettas Vorschlag einer „fünften Freiheit“ zur Förderung von Forschung, Innovation und Bildung im Binnenmarkt zu arbeiten;
7. Verfolgung des doppelten Ziels, strategische Energiesouveränität und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen – zu diesem Zweck werden wir als Priorität eine echte Energieunion schaffen, die durch einen vollständig integrierten und vernetzten Energiemarkt gekennzeichnet ist, durch die Dekarbonisierung unseres Energiemixes und die Bereitstellung erschwinglicher und sauberer Energie für alle unsere Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen. Es werden dringend Maßnahmen ergriffen, um die Situation, die sich aus den hohen und volatilen Strompreisen in Europa ergibt, und deren Ursachen zu bewältigen;
8. Schaffung einer stärker kreislauforientierten und ressourceneffizienten Wirtschaft und Entwicklung eines integrierten Marktes für Sekundärstoffe, insbesondere für kritische Rohstoffe – zu diesem Zweck ersuchen wir die Kommission, ihren Rechtsakt über die Kreislaufwirtschaft vorzulegen;
9. Stärkung der technologischen Fähigkeiten der EU, Beschleunigung des digitalen Wandels in allen Industriezweigen, Nutzung der Chancen der Datenwirtschaft bei gleichzeitiger Gewährleistung von Privatsphäre und Sicherheit sowie Förderung der Entwicklung innovativer Technologien – wir ersuchen die Kommission, bis Juni 2025 entsprechende Vorschläge vorzulegen;
10. Erschließung der Talente in Europa und Investitionen in Kompetenzen, um hochwertige Arbeitsplätze in der ganzen Union zu fördern – wir werden danach streben, im Einklang mit der Europäischen Säule sozialer Rechte den sozialen Dialog zu stärken, die Chancengleichheit zu wahren und Ungleichheiten abzubauen;
11. Streben nach einer ehrgeizigen, robusten, offenen und nachhaltigen Handelspolitik, in deren Mittelpunkt die WTO steht und mit der die Interessen, die wirtschaftliche Diversifizierung und die Widerstandsfähigkeit der EU verteidigt und gefördert werden – wir werden unsere wirtschaftliche Sicherheit stärken und dabei zugleich eine offene Wirtschaft aufrechterhalten und internationale Partnerschaften aufbauen;
12. Schaffung eines wettbewerbsfähigen, nachhaltigen und widerstandsfähigen Agrarsektors, Schaffung eines stabilen und vorhersehbaren Rahmens für Landwirte, Stärkung ihrer Position in der Lebensmittelversorgungskette und Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs weltweit und im Binnenmarkt.
Zukunftsfähige Finanzierung
Die Wettbewerbsherausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, werden erhebliche Investitionen erfordern, für die sowohl öffentliche als auch private Finanzmittel mobilisiert werden müssen. Wir sind entschlossen, alle Instrumente und Mechanismen zur Verwirklichung unserer Ziele zu prüfen und zu nutzen: den mehrjährigen Finanzrahmen als ein wesentliches Instrument zur Verwirklichung unserer strategischen Prioritäten, die Kapitalmarktunion zur Mobilisierung von privaten Finanzmitteln und die verstärkte Einbeziehung der Europäischen Investitionsbank. Wir werden die Entwicklung neuer Instrumente prüfen. Wir werden weiter darauf hinarbeiten, neue Eigenmittel einzuführen.
Nie war eine geschlossene Reaktion so zwingend erforderlich wie jetzt. Wir fordern alle EU-Organe, Mitgliedstaaten und Interessenträger auf, diesen Neuen Deal für die Europäische Wettbewerbsfähigkeit dringend umzusetzen und zu verwirklichen. Wir werden weiterhin strategische Leitlinien vorgeben und die Fortschritte im kommenden Jahr regelmäßig überprüfen.
Quelle: https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/11/08/the-budapest-declaration/