5. August 2025 Tichys Einblick von Maximilian Tichy
Ein Händedruck, zwei kurze Gespräche, haben die Brandmauer zum Einsturz gebracht, schäumen Linke in Sozialen Medien.
Also, was ist passiert? Im wilden Ungarn, da wo der Orbán herrscht, gab es ein Fest. Oder ein Feszt, wie die Ungarn schreiben. Das Matthias Corvinus Collegium hat Maximilian Tichy zu einem Festival eingeladen, denn er sollte mit Saskia Ludwig (CDU) und Bence Bauer, dem Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit, über die deutsche Politik diskutieren. Ein unverdächtiges Panel. Nur mit einem haben sie nicht gerechnet: Eine Ausgestoßene saß im Publikum. Alice Weidel
Maximilian Tichy erzählt die Geschichte wie folgt:
„Nun haben wir das getan, was man tut, wenn man einem Menschen begegnet, den man kennt: Sowohl Ludwig als auch ich (es tut mir nicht leid!) haben ihr die Hand geschüttelt. Wir haben geplaudert, bevor das Panel anfing und danach.
Das war möglich, weil in Ungarn kontroverse politische Diskussionen auf einer Bühne stattfinden können, die nicht vom Publikum abgeschirmt ist.
Ein Händedruck, habe ich einmal gelernt, ist eine sehr, sehr alte Geste. Schon die Römer griffen einander zum Gruß die Unterarme. Wer einander die rechte Hand gibt, der zeigt, dass dort kein Dolch liegt. Und obwohl ich selber Linkshänder bin und folglich als Sportfechter mit der Linken den Degen führe, verstehe ich die Geste als das, was es ist: Ein Zeichen des Friedens. Das geht aber nicht allen Menschen in Deutschland so. Oder wie eine X-Userin schreibt, die damit einen politischen Sommerskandal auslöste: „Ludwig und Weidel schütteln sich die Hand, sprechen 2x miteinander.“
Das MCC Feszt in Esztergom ist eine interessante Sache. Da kommen zehntausende – vor allem junge – Menschen aus Ungarn zusammen. Tagsüber finden Podiumsdiskussionen und Vorträge statt, auf Englisch und auf Ungarisch. Abends spielen berühmte Bands bis spät in die Nacht.
Alle Musikrichtungen sind vertreten: Rock-Coverbands, Gypsyswing, Hiphop und Schlagerballaden. Und die Fansgirls kommen auch (zu den Konzerten, obwohl eine Podiumsdiskussion mit kreischenden Jugendlichen in der ersten Reihe sicherlich lustig wäre).
Aber da war ja etwas mit Alice Weidel und Saskia Ludwig. Nun, die Abgeordnete Ludwig hat einen schweren Fehler begangen: Sie hat Alice Weidel nicht sofort der Veranstaltung verwiesen. Sie hat nicht den Zeigefinger erhoben, um einen Vortrag über Demokratie zu führen. Sie hat nicht mit der Faust gedroht, sondern Weidel die nachweislich dolchfreie Hand zum Gruß gereicht. Und mit Frau Weidel über das schöne Wetter, die interessante Veranstaltung und die Ferienpläne geplaudert. Was man halt so macht, wenn man unverhofft einer Person begegnet, mit der man bekannt aber nicht befreundet ist. Ich weiß es, ich war dabei. Ich stand zwischen den berüchtigten Damen und deswegen findet man mein Bild nun auf der Frontpage der taz. Vielleicht hat man auch etwas gelacht, wie das Beweisfoto belegt. Das Wetter war gut, die Stimmung entspannt, der Ton informell. Ich habe auch Jacke und Schlips im Hotelzimmer gelassen.
Aus dieser Begegnung eine Affäre zu machen, das ist deutscher Enthüllungsjournalismus in Reinform.
Zwei Mal also kam die Handfläche von Saskia Ludwig mit der von Alice Weidel in Kontakt. Zwei Mal wurden Finger zusammengepresst und Handgelenke von oben nach unten – und wieder zurück – bewegt. Auch ich versündigte mich derart zwei Mal. Einmal zur Begrüßung, einmal zur Verabschiedung.
Saskia Ludwig ist eine CDU-Revoluzzerin. Es war ein Tweet von ihr, der die Diskussion um die Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin auslöste. Und sie hat schon vorher öffentlich die These vertreten: Eine grundsätzliche Ausgrenzung der AfD kann nicht funktionieren. Wenn die AfD zwanzig, dreißig Prozent in den Wahlen erreicht, wenn sie noch stärker in den Kommunen im Osten ist: Dann ist das so. Dann will der Wähler es so. Und ein guter Vorschlag wird nicht schlecht, weil die AfD ihn macht.
Oder wie Ludwig es ausdrückt:
Im Osten haben man „ein anderes Verständnis von Demokratie“ als in Westdeutschland.
Das sagte sie alles auf der Tribüne, im Rahmen der Diskussion.
Es war eine kontroverse Diskussion. Mitpanelist Bauer vertritt die Meinung, dass die Brandmauer ein strategischer Fehler für die CDU ist, der sofort beseitigt gehört. Denn sie macht es unmöglich ohne SPD/Grüne Politik zu machen – und ist der Grund, warum Merz rechts blinkt und links abbiegt. Eine Analyse, der Ludwig nur teils zustimmen wollte.
Eine Koalition mit der AfD könne sie sich für die CDU noch nicht vorstellen, „frühestens in 10 Jahren“. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Donau hinunter, sind CDU und AfD ganz andere Parteien als heute. Wichtig ist auch Ludwigs Selbstverständnis als Abgeordnete: Nur weil sie als Teil der CDU im Bundestag sitzt, sieht sie sich nicht als unbedingte Befürworterin der Regierung Merz. Sie ist schließlich Teil des Parlaments, welches Merz kontrollieren soll, nicht der Regierung. So geht Gewaltenteilung. Insofern übte sie auch Kritik an den Entscheidungen des Bundeskanzlers – oder zumindest seiner (SPD-)Minister.
„Eine CDU-Bundestagsabgeordnete verbringt ihre Sommerpause mit Alice Weidel bei Viktor Orbáns Kaderschmiede und es überrascht oder interessiert einfach niemanden mehr“, schreibt SPD-Influencer Dario Schramm auf X. Nun, man kann Sommerbegegnungen auch hochstapeln. Wenn Maximilian Tichy im gleichen Laden einen Kaffee to-go kauft wie Ex-Minister Marco Buschmann (FDP), heißt das nicht, dass Maximilian Tichy die katastrophale antiliberale Politik Buschmanns gutheißt. Auch wenn Maximilian Tichy den ehemaligen Minister anspricht, ihm die Hand schüttelt und sich vorstellt.
Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von Twitter angezeigt werden. Übrigens: Buschmann hatte in Berlin einen Leibwächter. Alice Weidel, wenn sie in Berlin unterwegs ist, hat gleich mehrere. In Ungarn war das nicht nötig.
„Wenn die CDU sowas in der Fraktion toleriert, ist sie mit demokratischen Fraktionen nicht koalitionsfähig“, beschwerte sich auch Grünen-Politiker Daniel Eliasson.
Sogar in die Wikipedia habe ich es dank der Handschlag-Affäre nun geschafft. Im Eintrag von Roland Tichy steht nun: „Der Sohn Maximilian Tichy (*1995) ist gelernter Hotelfachmann und beteiligt sich aktiv am politischen Netzwerk seines Vaters.“. Das lässt aus, dass ich auch Volkswirt bin, dass ich bei Tichys Einblick als Redakteur tätig bin und dass ich selbstständig Einladungen annehmen und wahrnehmen kann.
Aber ein Handschlag in Ungarn ist eben Anlass für einen Eintrag bei Wikipedia.
So leicht ist es, berühmt zu werden.
„Frau Ludwig hat an der Veranstaltung nicht im Auftrag der Fraktion und ohne Wissen der Fraktionsführung teilgenommen“, sagte eine Sprecherin der CDU-Fraktion dem Tagesspiegel. „Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gilt und schließt jede Zusammenarbeit mit der AfD aus. An diesen ist jedes CDU-Mitglied gebunden.“. So distanziert sich die CDU vom Händedruck der Ludwig. „Freier Meinungsaustausch ist ein zentrales Element einer demokratischen Gesellschaft.“, sagt Ludwig. Ich verstehe die Aufregung nicht. „
Originale Erscheinung in Tichys Einblick: https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/der-verbotene-haendedruck-saskia-ludwig-alice-weidel/
Bildquelle: von Annika Brockschmidt https://www.volksverpetzer.de/aktuelles/weidel-ludwig-treffen-aufgedeckt/