Doch der Einfallsreichtum der Ungarn war schwer zu unterbinden. Während der Arbeit sangen sie Lieder und fügten in die Texte aktuelle Geschehnisse und Nachrichten ein. Weder die russischen noch die tschechoslowakischen Soldaten verstanden Ungarisch, und das Singen war nicht verboten. Später versuchten die Behörden auf beiden Seiten, durch die Ansiedlung von Tschechoslowaken und Sowjetbürgern, die Assimilation voranzutreiben und die Lebensgrundlage der dort lebenden Ungarn und ihrer Familien zu untergraben. Auch dieses Vorhaben scheiterte. Die Zugezogenen konnten den widrigen Umständen nicht standhalten, während die ungarische Bevölkerung auf dem Land ihrer Vorfahren verblieb.
Mit der Zeit hat sich die Welt erheblich verändert: Die Berliner Mauer fiel, die beiden deutschen Staaten wurden wiedervereinigt, dem Sozialismus wurde ein Ende gesetzt, und die nach dem Ersten Weltkrieg auf den Trümmern Ungarns errichteten slawischen Staaten zerfielen. Die Welt wurde unipolar. Auch in Szelmenc gab es Veränderungen: Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 wurde Kisszelmenc Teil der Ukraine, und nach der Teilung der Tschechoslowakei im Jahr 1993 fiel Nagyszelmenc an die Slowakei. Was jedoch unverändert blieb, war das Leben der hier lebenden Ungarn. Die Dorfbewohner suchten weiterhin den (Grenz-)Zaun auf, um Gespräche miteinander zu führen und familiäre Ereignisse zu teilen. Auf der ukrainischen Seite, in Kisszelmenc, wurde ein hoher Wachturm errichtet, von dem aus die Soldaten die Bewegungen der Dorfbewohner beobachteten. Es ist geradezu erschreckend, dass selbst 2004, nach dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union die Teilung weiterhin bestand, als hätte sich in der Weltpolitik nichts geändert.
Im Jahr 2004 wirkte Szelmenc noch immer wie ein Ort, an dem die Zeit stehen geblieben war. Der Stacheldraht, wenngleich bereits verrostet, trennte weiterhin die beiden Teile des Dorfes, wie er es seit 1946 getan hatte.
In jenem Jahr reiste eine Delegation nach Washington, um die Unterstützung der Vereinigten Staaten zu erbitten. „Könnte Szelmenc nicht ein souveräner Staat werden?“ – So lautete die Frage, die man im US-Senat stellte. Diese gut gemeinte Frage spiegelte die Naivität der Amerikaner in europäischen Angelegenheiten wider und war ebenso absurd wie die Geschichte dieses ungarischen Dorfes, das nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst zwischen zwei Staaten geteilt wurde und später noch einmal zwischen zwei weiteren Staaten aufgeteilt wurde.
Die Öffnung der Grenze
Durch das Eingreifen der Vereinigten Staaten konnte die Grenze schließlich am 23. Dezember 2005 geöffnet werden, was eine unbeschreibliche Erleichterung bei der betroffenen Bevölkerung auslöste. Ältere Menschen reichten sich unter Tränen die Hände, während Verwandte, die über Jahrzehnte hinweg voneinander getrennt waren, einander endlich wieder umarmen konnten. Für viele erfüllte sich damit ein letzter Herzenswunsch: noch einmal die Möglichkeit zu haben, die Grenze zu überschreiten und die andere Seite zu betreten.
Die heutige Situation: Eine absurde Realität
Das Dorf Szelmenc wird durch zwei Zeitzonen geprägt. Im westlichen Teil des Dorfes, in Nagyszelmenc, gilt die mitteleuropäische Zeit; dieser Teil gehört zur Slowakei und damit zur Europäischen Union. Der östliche Teil, Kisszelmenc, hat sich der osteuropäischen Zeitzone verpflichtet, der Kiewer Zeit, da dieser zur Ukraine gehört. Der freie Übergang zwischen den beiden Dorfteilen ist ausschließlich in Richtung von Westen nach Osten möglich. Die Einwohner von Kisszelmenc benötigen selbst für einen einmaligen Grenzübertritt ein Visum. Allerdings verweigert die Ukraine derzeit männlichen Antragstellern die Ausstellung eines Visums, da diese für den Kriegseinsatz an der Front benötigt werden, um ein Land zu verteidigen, zu dem sie emotional keinerlei Bindung verspüren.
Fazit
Die Geschichte von Szelmenc ist ein erschütterndes Beispiel für die Folgen willkürlicher Grenzziehungen und geopolitischer Entscheidungen. Die Teilung des Dorfes, das über Jahrzehnte hinweg kulturelle und familiäre Bande aufrechterhielt, bleibt ein Symbol für die Absurdität politischer Machtstrukturen.
Trotz aller Widrigkeiten haben die ungarischen Bewohner von Szelmenc ihre Identität bewahrt und sich gegen Assimilationsversuche behauptet.
Die Teilung des Dorfes zeigt eindrucksvoll, wie Menschen ihre kulturelle Resilienz auch unter den schwierigsten Bedingungen bewahren können.
Autorin, Dr. Irén Rab ist Kulturhistorikerin und Gründungsredakteurin von Ungarnreal
MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20250514-trianoni-magyar-abszurd
Übersetzt von David Benjamin Luther