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Ein Reiseführer für Ungarnversteher: Ungarnreal – die ungarische Realität.
21. Dezember 2024 Budapester Zeitung von Alexander Rasthofer
Die Botschaft steckt schon im Untertitel: Ungarn aus erster Hand. Liest man das Vorwort der Kulturhistorikerin und Hungarologin Irén Rab, wird bereits klar, dass es sich hier um ein Lebenswerk handelt, in dem die Mühen langjähriger Arbeit und viel Herzblut stecken.
Die Herausgeberin möchte den Lesern mit ihrem Band einen Reiseführer an die Hand geben. Einen Reiseführer, der sie nicht nur durch die ungarische Kultur und Geschichte navigiert, sondern ihnen auch Zugangspunkte eröffnet, Verbindendes aufzeigt und sie über die schönsten Brücken zwischen Deutschland und Ungarn führt.
Dass dies keine leichte Aufgabe ist, zeigt nicht nur die aktuelle politische Kommunikation und Medienberichterstattung eindrucksvoll. Dass es dazu auch noch eines geeigneten und kompetenten Reiseführers bedarf, macht die Sache nicht einfacher. Irén Rab ist jedoch eine solche Reiseleiterin.
Dafür qualifiziert sie nicht nur ihr beruflicher Werdegang, sondern auch ihre jahrelange Erfahrung, als Ungarin in Deutschland zu forschen, zu leben und mit Deutschen zu kommunizieren.
Mit deutschem Verstand und ungarischem Herzen legt sie einen umfangreichen, vielseitigen und hoch relevanten Sammelband vor. Die Essenz langjähriger interkultureller Arbeit.
Um den Band zu verstehen, gilt es, seine Hintergrundgeschichte zu begreifen. So stellt „Ungarnreal. Ungarn aus erster Hand“ die Essenz eines seit 2020 aktiven Medienprojekts in Form eines deutschsprachigen Portals für ungarische Geschichte, Kultur und Zeitgeschehen dar, dessen Gründerin und zugleich Chefredakteurin Irén Rab ist. Die besten und zeitlosesten der bisher etwa 740 veröffentlichten Artikel hat sie nun in ihrem Sammelband zusammengefasst
Entsprechend heterogen präsentiert sich der Band hinsichtlich Form, Thema und Stil. Auf 569 Seiten finden sich 74 Beiträge von 31 verschiedenen Autoren. Neben wissenschaftlichen Aufsätzen finden sich auch Essays. Die Mehrzahl der ungarischen, aber auch der deutschen Autoren sind Wissenschaftler und bekannte Publizisten. Daneben gibt es auch etliche Grundsatzdokumente aus der Geschichte Ungarns.
In fünf Kapiteln dem ungarischen Wesen näher kommen
Der Band ist in fünf große Kapitel gegliedert, die sich durchaus zu einem Gesamtmosaik des Ungarnverstehens zusammenfügen lassen. Im ersten Kapitel geht es um ungarische Selbst-, aber auch Fremdbilder. Was heißt es, ein Ungar zu sein? Was verstehen die Ungarn unter Freiheit, Nation und einem guten Leben? Was prägt die ungarische Mentalität und ihren Nationalcharakter? Und nicht zuletzt: Wie blicken andere von außen auf Ungarn?
Das zweite und bei weitem umfangreichste Kapitel führt den Leser durch die Schlüsselmomente der ungarischen Geschichte bis in die Gegenwart. Es zeigt, was die Geschichte als Identifikationspunkt für die Ungarn bedeutet und warum sie bis heute als Bezugspunkt in der Erinnerung lebendig ist. In den weiteren Kapiteln geht es um Landeskunde, Kultur und Erinnerungskultur.
„Mehr als zwanzig Jahre meines Lebens habe ich damit verbracht, Deutsche in Ungarn und an der Universität Göttingen in Hungarologie zu unterrichten. Ich habe gelernt, wofür sie empfänglich sind, wofür sie sensibel sind, aber auch wofür sie unsensibel sind. Ich musste lernen, dass gute Absichten und Offenheit zwar für Akzeptanz ausreichen, oft aber nicht für ein tieferes Verständnis. Dazu braucht man Wissen. Ich habe gelernt, welche Wissensdefizite es gibt, was verstanden wird und warum etwas nicht verstanden werden kann. Ich habe auch gelernt, wie man mit Deutschen spricht. Mein Ziel mit „Ungarnreal“ ist es, interessierten Deutschsprachigen die Augen für die ungarische Realität zu öffnen. Genau das möchte ich auch mit diesem Buch erreichen.
Ergänzt werden die einzelnen Kapitel durch wichtige Hintergrundinformationen. So gibt es unter anderem wichtige Fakten zum ungarischen Wahlsystem, zur ethnischen und religiösen Zusammensetzung Ungarns sowie zu Bräuchen und Traditionen der Ungarn. Im Anhang sind sogar die wichtigsten nationalen Gedenktage aufgeführt und kurz erläutert.
Politisch vielfältig, aber keineswegs neutral
Eine Besonderheit des Buches ist, dass Stimmen aus verschiedenen politischen Lagern Ungarns zu Wort kommen. Dabei versteht sich der Band ausdrücklich nicht als politisches Buch und nimmt insgesamt auch keine Stellung zu politischen Fragen. Vielmehr möchte er von allen deutschen und deutschsprachigen Lesern des gesamten politischen Spektrums zur Hand genommen werden, die sich für Nachrichten und Berichte aus Ungarn interessieren und das Land aufgeschlossen kennenlernen möchten.
Das bedeutet nicht, dass das Buch eine neutrale Position einnimmt. Die Autorin setzt ein explizites Gegengewicht zu den gängigen Angriffen auf die ungarischen Verhältnisse. Das Buch formuliert und verteidigt bewusst ungarische Positionen, liefert Fakten und Argumente und kommuniziert offen,
dass es „auch eine andere Seite und eine andere Sichtweise gibt“.
Es lädt all jene, die sich auf diese andere Sichtweise einlassen wollen, zur kritischen Auseinandersetzung ein. Das macht „Ungarnreal. Ungarn aus erster Hand“ zu einer lohnenden Lektüre für alle Deutschen, die das Land und dessen heutige Politik verstehen wollen.
Zur Herausgeberin: DR. IRÉN RAB ist promovierte Kulturhistorikerin mit dem Forschungsschwerpunkt Studentenmentalität des 18. Jahrhunderts. Sie studierte und promovierte in Hungarologie, Bibliothekswissenschaft, Geschichte und Europastudien an ungarischen Universitäten. Von 2003 bis 2014 war sie Dozentin für Hungarologie an der Georg-August-Universität Göttingen. 2020 gründete sie das Online-Magazin „Ungarnreal“, um deutschsprachige Leser aus erster Hand über das Leben der Ungarn sowie die historisch gewachsene Mentalität, Kultur und auch Politik des Landes zu informieren. Darüber hinaus forscht und publiziert sie zu gesellschaftspolitischen Themen.
Die Rezension hat Alexander Rasthöfer, Mitarbeiter des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit am Mathias Corvinus Collegium geschrieben.
Zu Weihnachten niemand an der Front sterben soll
17. Dezember 2024 Radio Kossuth Interview mit Viktor Orbán in der Sendung „Guten Morgen, Ungarn“ am 13. 12. 2024
In der vergangenen Woche hat die ungarische Diplomatie in Bezug auf den russisch-ukrainischen Krieg wieder einen höheren Gang eingelegt. Nach seinem Besuch bei Papst Franziskus besuchte Viktor Orbán den designierten US-Präsidenten Donald Trump und führte Gespräche mit dem russischen Präsidenten Putin und dem türkischen Präsidenten Erdoğan. Am Mittwoch (11. Dezember) hat Viktor Orbán einen Post über einen weihnachtlichen Waffenstillstand und einen Gefangenenaustausch veröffentlicht, in dem er sagte, dass Präsident Selenskyj dies abgelehnt habe., während der russische Präsidentensprecher Moskau diesem Vorschlag seine Unterstützung zusicherte.
- Was ist eigentlich passiert? Welche Möglichkeiten es nun für einen Waffenstillstand gibt?
Wir hatten tatsächlich eine starke Woche, voll mit internationalen Angelegenheiten. Die Diplomatie ist eine komplizierte Angelegenheit, was auf welche Weise geschieht, warum sie zustande kommt, sie ist auch ein Handwerk, aber der Punkt ist, dass jetzt ein Angebot auf ungarische Initiative auf dem Tisch liegt, bei dem es darum geht, dass
Es ist kein allzu komplizierter Vorschlag, und er ist verständlich, denn schließlich geht es bei Weihnachten um Liebe, Leben, Geburt und Glück. Natürlich wird das von der Realität überschrieben, denn es herrscht Krieg, aber wenn sich die Parteien in solchen Fällen einigen können – und dafür gab es im Ersten Weltkrieg Beispiele – dann kann es zu Weihnachten einen Waffenstillstand geben. Und wenn sich die Parteien sogar darauf einigen können, z.B. eine große Anzahl von Gefangenen auszutauschen, einen großen Gefangenenaustausch, dann können viele Hunderte oder Tausende von Menschen und Familien in einer so schwierigen Zeit glücklich gemacht werden. Die Olympiade hätte eine Gelegenheit sein können, den Krieg wenigstens für ein paar Tage zu unterbrechen, in der Tradition der europäischen Zivilisation, aber es ist nicht gelungen. Jetzt ist Weihnachten, es war einen Versuch wert. Genau das hat Ungarn getan. Wir haben getan, was wir konnten.
Die Möglichkeit eines massenhaften Gefangenenaustauschs und eines weihnachtlichen Waffenstillstands ist auf dem Tisch.
Wie auch immer sie dahin gekommen ist, ist gleichgültig, sie liegt da. Es gibt zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Man kann es akzeptieren und man kann es ablehnen. Die eine Seite nimmt ihn an, die andere Seite lehnt ihn offenbar ab. Aber es sind noch ein paar Tage bis Weihnachten, und wir sind zuversichtlich, dass sich die Situation ändern kann.
Die ungarische Diplomatie hat alles getan, was sie konnte, und ich denke, sie hat es auch über ihre Kräfte hinausgehend getan. Wenn wir nicht den Ratsvorsitz der Europäischen Union innegehabt hätten, hätten wir nicht einmal das tun müssen. Natürlich ist dies immer noch eine christliche Regierung, und wenn es etwas gibt, was man tun kann, das uns unserem Heil, dem Heil unseres Landes und unserem persönlichen Heil näher bringt, dann ist es wert, es zu tun, und es ist sogar verpflichtend.
Ich glaube, dass es jetzt nichts Wichtigeres gibt, als einen Waffenstillstand für ein paar Tage zu erreichen, was bedeutet, dass mehrere tausende Menschen nicht sterben werden. Es wird um so viele weniger Witwen, weniger Waisen geben. Das sind also Dimensionen der Politik, die man im Auge behalten sollte. Denn natürlich gibt es all diese Taschenspielertricks, all diese Machenschaften, all diese Verhandlungen und so weiter, aber das wichtige Endziel darf nicht aus den Augen verloren werden, denn dies sind doch höhere menschliche Ziele, selbst in solch einer Zeit des Krieges wie der, in der wir jetzt leben.
Ich denke also, dass Ungarn so gehandelt hat, wie es sich für einen tausendjährigen christlichen europäischen Staat gehört.
Wir haben alles getan, was wir in dieser Situation tun konnten, sogar mehr als wir tun konnten, indem wir die Tatsache ausnutzten, dass wir gerade die rotierende Präsidentschaft der Europäischen Union innehatten, und da die meisten Staaten Europas jetzt für den Krieg sind und wir für den Frieden, und so dachten wir vor einigen Monaten, dass wir tun sollten, was unsere Pflicht ist zu tun. Wir sind so weit gekommen, und ich denke, das ist nicht wenig. Wir werden sehen, was für ein Weihnachten wir haben werden.
- In den letzten Wochen haben Sie sich mit vielen der Hauptakteure in diesem Konflikt beraten. Wie sehen Sie jetzt, wer den Schlüssel zum Frieden oder zumindest zu einem Waffenstillstand in der Hand hat?
Ich sage jetzt, unabhängig vom Krieg, dass das, worüber ich auch schon vorher gesprochen habe, dass die Welt vor viel größeren Veränderungen, steht als wir dies denken. Ich erinnere mich noch an den Wahlkampf zum Europäischen Parlament, in dem wir den Wählern, den ungarischen Wählern, eine Verpflichtung, eine Hoffnung, eine Perspektive, einen Horizont präsentierten, dass Ungarn, wenn sie uns helfen, Teil davon sein könnte, und dass die ungarische Regierung eine Rolle bei einem Wandel spielen könnte, einem Wandel innerhalb der westlichen Zivilisation, der von historischem Ausmaß sein würde, der unser Leben vom Krieg zum Frieden führen, von einer Welt des wirtschaftlichen Elends, des Leidens und der hohen Inflation zum wirtschaftlichen Erfolg, von einem Gefühl der Unsicherheit zur Sicherheit, von einer Welt des Genderwahns zu einer Welt des Schutzes der Familien, von einer unüberlegten Politik der Unterstützung der Migration zu einer Politik des Schutzes der Grenzen führen würde.
Wir haben also auch versucht, die ungarischen Menschen auf diese bevorstehenden Veränderungen vorzubereiten. Wir haben die Unterstützung dafür bei den Europawahlen auch erhalten, die wir mit überwältigender Mehrheit gewonnen haben, und wir haben auch die Fraktion der Europäischen Patrioten gegründet, die sich für diese Veränderungen einsetzen, und wie wir gehofft hatten, hat die Wende auch in Amerika stattgefunden.
Ich habe jetzt mit Papst Franziscus gesprochen, ich habe mit den Amerikanern gesprochen, ich habe mit den Russen gesprochen, ich habe mit den Europäern gesprochen, ich habe mit den Türken gesprochen,
und ich kann mit Gewissheit sagen, dass mit dem Amtsantritt des amerikanischen Präsidenten eine große Wende in der Welt stattfinden wird.
Wir befinden uns gegenwärtig in einer gefährlichen Zeit, denn Amerika hat einen neuen Präsidenten, der aber erst am 20. Januar sein Amt antreten wird. In Deutschland ist die Regierung gestürzt, in Frankreich ist die Regierung auseinandergefallen, und in Syrien – dem größten Migranten hervorbringenden Land der letzten zehn Jahre – ist eine unklare Situation entstanden, auch dort ist die Regierung auseinandergefallen. Wir befinden uns jetzt also in einer schwierigen Phase, an einem stürmischen Abschnitt des Flusses oder des Meeres, da müssen wir hindurchpaddeln, aber dann werden wir in ruhigeres Fahrwasser kommen, denn sobald der US-Präsident sein Amt angetreten hat, wird sich dieser Umschwung, von dem ich spreche und der sich in der gesamten westlichen Welt vollziehen wird, vor unseren Augen entfalten. Und darauf brauchen wir nicht zu warten, nur ein oder zwei Tage nach dem 20., denn ich sehe die neue Regierung in Amerika einen fliegenden Start nehmen. In den Fragen, die auch für uns am wichtigsten sind, finden dort Veränderungen statt, die den europäischen Kontinent erreichen und auch hier Veränderungen erzwingen werden, die uns am Herzen liegen.
Zsolt Törőcsik hat Ministerpräsident Viktor Orbán in der Sendung „Guten Morgen, Ungarn“ von Radio Kossuth am 13. Dezember 2024 u.a. zu den diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges befragt.