24. Juni 2025 NÖN.at
In einem Gehege im Tierpark Haag (Bezirk Amstetten) ist eine Kiste mit geheimen Dokumenten einer ungarischen Husarendivision ausgegraben worden. Diese soll die Schriftstücke im Mai 1945 auf der Flucht vor den anrückenden Sowjets vergraben haben.
Exakt 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieg sorgt ein sensationelle Fund für internationale Aufmerksamkeit: Eine stark verrostete, eingedrückte Holzkiste mit Eisenbeschlägen wurde im Mai 2025 im Hirschgehege des Tierparks – dem früheren Garten von Schloss Salaberg – von einem ungarischen Militärhistoriker und dessen Team mithilfe eines Metalldetektors aufgespürt und ausgegraben.
In der Kiste – ursprünglich wohl als Feldküchenkiste verwendet – befanden sich Tagebücher, Befehle, Karten und Lageberichte der ungarischen königlichen 1. Honvéd-Husaren-Division, die die dramatischen letzten Wochen der Husaren-Division dokumentieren.
Die Husaren-Division hatte im Zweiten Weltkrieg an der Seite Deutschlands an der Ostfront gegen die Sowjets gekämpft und in den letzten Kriegstagen im Mai 1945 mit etwa 10.000 Mann rund um das Schloss gelagert. Jahrzehntelang galten diese Unterlagen als verschollen.
„Ein Fund dieser Dimension ist eine absolute Seltenheit“, sagte der Militärhistoriker István Szebenyi, der seit Jahren gezielt nach den vermissten Unterlagen forschte. Den entscheidenden Hinweis hatte ein Brief – verfasst von Bánó-Kacskovics Zoltán, einem ehemaligen Offizier der Division – aus dem Jahr 1948 geliefert, der seiner Nichte von der „Vergrabung der Dokumente im Park eines Schlosses mit Damwild und Rittersaal am Ostufer der Enns“ berichtet hatte. Gemeint war wohl das Schloss Salaberg, auf dessen Gelände sich heute der Tierpark befindet.
Eine Legende wird Realität
Eine Geschichte, die lange eher als Legende galt, dürfte damit nun historische Realität werden. Laut dem Zeitzeugen Medgyesy Miklós hat eine Freundschaft zwischen dem ungarischen Oberst Malanotti und dem amerikanischen General George S. Patton – entstanden bei einer Weltmeisterschaft 1930 in Toronto – dafür gesorgt, dass die Husaren-Division bei Kriegsende nicht an die Sowjets ausgeliefert wurde. Stattdessen ermöglichte Patton ihr im Mai 1945 die Flucht über das Kraftwerk bei Emshofen (Ernsthofen) auf die amerikanische Seite. Dokumente in der Kiste stützen nun den Zeitzeugenbericht. Erste Auswertungen deuten klar auf Kontakte zwischen ungarischen Offizieren und amerikanischen Militärs hin. „
Wenn sich der gesamte Inhalt bestätigt, wird damit ein ganz neues Kapitel der ungarisch-amerikanischen Kriegs- und Erinnerungsgeschichte geschrieben“,
erklärt Szebenyi.
Schenkung an das österreichische Staatsarchiv
Die Husaren kämpften während des Krieges ausschließlich an der Ostfront. Ihre Kapitulation bei den Amerikanern war ein Hoffnungsschimmer – doch nicht alle Soldaten entgingen der sowjetischen Gefangenschaft. Viele wurden trotz Schutz durch die USA später deportiert. „Es ist ein düsteres Kapitel der Nachkriegspolitik“, sagt Szebenyi. Umso wichtiger sei es, diesen Stimmen durch den Fund nun Gehör zu verschaffen. Der Inhalt der Kiste soll digitalisiert und wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Eine Schenkung an das österreichische Staatsarchiv ist in Vorbereitung, um den historischen Schatz langfristig zu sichern und der Forschung zugänglich zu machen.
„Nicht unter der Erde, sondern vom Vergessen begraben“: So beschreibt der Historiker Emil Tomka die Bedeutung des Fundes. Was jahrzehntelang als verloren galt, hat nun wieder eine Stimme.
Die Geschichte der 1. Husaren-Division – geprägt von Disziplin, Loyalität und einer außergewöhnlichen Rettung –
ist kein abgeschlossenes Kapitel, sondern ein wiederentdeckter Teil europäischer Erinnerungskultur.
Quelle: Niederösterreichische Nachrichten
MAGYARUL: https://volksgruppen.orf.at/magyarok/stories/3308989