Mit der Einführung des „Common Biometric Matching Service“ (sBMS) hat die Europäische Union einen weiteren Schritt in Richtung einer umfassenden Überwachung und internen Kontrolle getan. Der neue Dienst, in dem biometrische Vorlagen von 400 Millionen EU-Bürgern gespeichert sind, wurde als Maßnahme zur Verbesserung der Grenzkontrollen, Visa- und Asylanträge vorgestellt. Die Einführung eines solchen Systems wirft jedoch ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, der Privatsphäre und der zunehmenden Zentralisierung der Macht auf.
Die Speicherung und der Abgleich biometrischer Daten wie Fingerabdrücke und Gesichtsbilder in einem zentralisierten System beeinträchtigt die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere das Recht auf Privatsphäre. Es stellt sich die Frage, wie sicher diese sensiblen Daten tatsächlich sind. Trotz der Tatsache, dass die Europäische Kommission sagt, dass das System die Datensicherheit gewährleistet, bleibt unklar, wie Sicherheitslücken oder Missbrauch verhindert werden sollen. Der Umfang der erhobenen Daten und die mögliche Vernetzung der verschiedenen europäischen Informationssysteme werden es in Zukunft ermöglichen, dass jeder Mensch als „gläserner Bürger“ gilt, dessen Bewegungen und Identität jederzeit nachvollzogen werden können.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Zustimmung der Bürger zur Erhebung und Verwendung ihrer biometrischen Daten. In vielen Fällen werden diese Programme ohne die ausdrückliche Zustimmung des Einzelnen umgesetzt. Auch wenn es theoretische Möglichkeiten zur Steuerung gibt, bleibt fraglich, wie effektiv und transparent diese in der Praxis umgesetzt werden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern die Bürgerinnen und Bürger wirklich die Kontrolle über ihre eigenen Daten haben oder ob diese in den Händen nur weniger EU-Behörden konzentriert sind. Mit der Einführung von Systemen wie dem sBMS liegt die Verantwortung für die Erhebung, Verarbeitung und Analyse biometrischer Daten zunehmend in den Händen einiger weniger europäischer Behörden, insbesondere von eu-LISA. Die zentralisierte Erhebung und Vernetzung personenbezogener Daten birgt die Gefahr des Missbrauchs, sei es als politisches Instrument oder durch verstärkte Kontrolle der Bevölkerung. Die Forderung nach Transparenz und unabhängiger Aufsicht über diese Systeme wird immer lauter, aber es ist noch nicht klar, wie dies gewährleistet werden kann. Auf lange Sicht kann die Zentralisierung von Sicherheitsmaßnahmen und -daten den Weg für mehr Überwachung und die Aushöhlung individueller Freiheiten ebnen.
In der Praxis kann sich die Implementierung von sBMS als schwieriger erweisen als erwartet. Die Vernetzung der verschiedenen europäischen Informationssysteme, wie dem Schengener Informationssystem (SIS) oder dem Visa-Informationssystem (VIS), erfordert nicht nur eine solide technische Infrastruktur, sondern auch eine reibungslos funktionierende organisatorische Umsetzung. Es stellt sich die Frage, ob diese Systeme tatsächlich die versprochenen Effizienzgewinne liefern werden, oder ob technische Probleme und Verzögerungen das Erreichen des eigentlichen Ziels behindern können. Ein System, das Millionen von Bürgern effizient und fehlerfrei identifizieren und kontrollieren soll, wird kaum ohne Probleme sein. Die rasche Einführung solch komplexer Systeme ohne umfassende rechtliche Unterstützung und einen klaren Rechtsrahmen kann die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gefährden. Unklar bleibt, wie die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen konkret sichergestellt wird und wer bei Fehlern oder Missbräuchen verantwortlich ist. Auch die Verantwortung für den Schutz und die Verwendung von Daten muss genau geregelt werden, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewährleisten. Ohne eine klare Rechtsgrundlage könnte die Einführung solcher Systeme ein erhebliches Risiko für die Freiheit des Einzelnen und den Schutz personenbezogener Daten darstellen.
Die zunehmende Zentralisierung der Macht und die Sammlung biometrischer Daten von Millionen von EU-Bürgern werfen ernsthafte Fragen über die Grenzen der Sicherheit und der persönlichen Freiheit auf. Es ist an der Zeit, dass die EU ihre Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ernst nimmt und dafür sorgt, dass diese Systeme im Einklang mit den höchsten Standards des Datenschutzes und der Achtung der Rechte des Einzelnen entwickelt und umgesetzt werden. Andernfalls könnte der Traum von einer sicheren und vernetzten EU zu einem Albtraum für die Bürger werden, die ihre Freiheit auf dem Altar der „Sicherheit“ verlieren.
Übersetzt und bearbeitet von Hans Seckler