Nach der Belagerung Wien durch den Türken (1683) setzt endlich die Befreiung Ungarns von den Türken unter deutscher Führung ein. Das Haus Habsburg meldete nun seinen Anspruch auf das Land als Familienbesitz an. Siebenbürgen wir mit dem Mutterland nicht vereint, sondern als österreichisches Großfürstentum Wien unmittelbar unterstellt. Mit den Latifundien ungarischer Adliger werden erfolgreiche Söldnerführer belohnt. Die Leibeigenen müssen die Schulden der langen Kriegsführung tragen. Die Unzufriedenheit bricht in einem Freiheitskampf (1703-1711) aus, an dessen Spitze sich Fürst Ferenc Rákóczi II. stellt. Er unterliegt und geht in die Verbannung. Seine Gestalt verklärt sich in seiner Nachwelt zum Symbol der nationalen Freiheit.
„Ich will versuchen, in meine Erinnerung jene Dinge zurückzurufen, die sich auf Ungarn und die ungarische Nation beziehen. Deine Vorsehung, o Gott, bereitete mich zum Auftreten in der Öffentlichkeit vor, damit ich, aus meiner Zurückgezogenheit hervortretend, die Würde eines regierenden Fürsten annehme, dessen Zeichen ich durch Deine Güte schon dank meiner Geburt an mir trug. Dennoch gefiel es Dir, Deine Gerechtigkeit über meinem Hause zu üben, es gefiel Dir, mein Haus durch das über Ungarn herrschenden Haus Österreich zu demütigen und zu unterdrücken, damit ich durch so viel Demütigungen auf ungewissen Wegen zu meinem Ruhm gelange.
Das Befreiungswerk meines Vaterlandes begann ich, bewegt von meinem eigenen Leid und dem meines Volkes, das viele und große Schmerzen erlitten hatte.
Außerdem wähnte ich, es sei meine, aus meinem Eide sich ergebende Pflicht, die Gesetze meiner Heimat zu beschützen, den Elenden aufzuhelfen, die Elternlosen und Waisen vom ihren Joche zu befreien, dem Joche, das man ihnen ohne Recht und Billigkeit auferlegt hatte. Und diese meine Beweggründe kann mein Gewissen heute nicht verurteilen,
Der Wunsch, Ruhm oder eine höhere Würde zu erwerben, lag mir ferne, ebenso jener, die Krone zu erlangen… trotz allem aber leitete mich ein eitler Gedanke, das zufriedene Wohlgefallen an mir selbst… lass mich also, bitte, darüber trauern, soweit es nötig ist, damit ich, unterstützt von Deiner Barmherzigkeit, Deiner Gerechtigkeit Genüge tue… denn tatsächlich habe ich seitdem mein ganzes Leben lang, von diesem Trieb gelenkt, oft den Beweis der sittlichen Rechtschaffenheit erbracht, und das Land regierend, Gerechtigkeit geübt…
Ich habe den Armen Gutes getan, ich war bestrebt, Einigkeit zu halten, nach außen hielt ich die Gebote meiner Religion, ich enthielt mich der Verschwendung, ich war mäßig im Essen, ich schien sauber, ich trug das Unglück mit starker Selle und war im Glück nicht übermütig, ich setze Gemeinnutz vor Eigennutz, die Tage und Nächte verbrachte ich in Unruhe und Arbeit… den Reichtum verachtete ich, meine Gesundheit,
mein Leben und den Fortschritt meines eigenes Hauses setzte ich hintan,
ich war gewissenhaft, wenn es sich um das Halten des gegebenen Wortes handelte…
Von zwei Dienern begleitet betrat ich Ungarns Boden; doch Du gabst mir alles, was mein Stan d erfordert, denn Du zeigtest Deine Macht, die die Mächtigen ebenso leicht von ihrem Sitze stößt, wie es ihr ein geringes ist, die Demütigen zu erheben. Und dies war das Ergebnis meiner in Dich gesetzten Hoffnung, denn wenn ich damals dem Rat der Klugheit gefolgt wäre, hätte ich es nie gewagt, diese große Tat zu beginnen; es war das Werk Deiner geheimen Bestimmung; Du wiesest auf meine Pflichten meiner Heimat gegenüber hin, Du begeistertest und führtest mich, dass ich, den Gedanken an die Gefahr vergessend, mich ganz wütenden, aufrührerischen Masse weihte. Diese Masse bestand aus fünfhundert Infanteristen und fünfzig Reitern, dem Rest der dreitausend Mann, doe vor wenigen Tagen bei Dolha geschlagen und zersprengt worden waren, nachdem sie sich am Wein berauscht hatten. So kamen sie zu meinem Empfang bis zur polnischen Grenze, bis zu dem Dorf Kliemiec; doch
diese kleine Schar wachs während drei Jahren in Siebenbürgen und Ungarn zu einem Heer von 75 000 Mann an.
Da ich aber keine Geschichte schreibe, überspringe ich die Einnahme der Burgen, das wechselnde Glück der Kämpfe, die militärischen Unternehmungen, Friedensverhandlungen, die diplomatischen Verhandlungen im Ausland und die politische Regierung des Landes, womit ich sieben Jahre zubrachte.
Möge, wer immer über den ungarischen Krieg und die Gründe seines Ausganges schreiben was ihm beliebt… möge man mich der Leichtgläubigkeit, Gleichgültigkeit und der Habgier anklagen… Du allein weißt, o Weisheit von Anbeginn, warum Du den Ereignissen das Ende bestimmtest, das schließlich eintrat. Ich leugne nicht, dass ich in den Kämpfen durch mein Unwissen viel Irriges verursachte; und dass auch andere manches verbrachen aber mit menschlichen Vernunft betrachtet
war es der Geldmangel und die allgemeine Unkenntnis auf dem Gebiet der Kriegsführung, die dem tapfer und gut begonnenen Kriege
– der von der Zeit an, da das Kupfergeld beliebt war bis zu einer Entwertung, mit viel Begeisterung geführt worden war – ein Ende bereitete. Endlich verdarb die in den Festungen wütende Pest die Infanterie, und die Auffüllung der Burgmannschaft schwächte die Zahl jener, die auf dem freien Gelände standen.
Der Feind schritt langsam vor und besetzte die Flüsse und die Bergpässe, befestigte, um seine Eroberungen zu sichern, die Furten, ließ die Dämme bewachen und Gräben ausheben; al dann die Reihe an den Verteidigungskrieg kam, mussten wir unsere Hoffnung in die Festungen setzen, die allerdings, da das Kupfergeld noch sehr gefragt war, auch gut befestigt und versorgt waren, doch litt ich Not an geeigneten und fähigen Offizieren. So fiel ein Teil dieser Festungen infolge der Feigheit, der andere Teil infolge der Ängstlichkeit der Burgwache und der Befehlshaber in die Han de der Deutschen; Ujvár allein wurde von seiner Besatzung mit lobenswertem Einsatz solange gehalten, bis die in geringer Zahl befindliche Wache den Sturm infolge des Spalte, der durch den Zusammenbruch der Basteien entstanden war, nicht mehr aufhalten konnte und nach dem Entschluss, sich zu ergeben, auch fiel; alle anderen, weniger wichtigen Festungen nahmen die Deutschen durch Drohungen und Versprechungen zurück und so blieb gegen Ende des Krieges allein die Stadt Kaschau (Kassa, Kosice), meine Burg Munkács (Munkatsch/Мукачево) und das benachbarte Ungvár (Ungwar,/Ужгород) auf meiner Seite.
Die Deutschen drangen mit ihrem in mehreren Gruppen geteilten Heere vor, meines konnte ihm nicht seiner Zahl, sondern seiner Kraft wegen nicht widerstehen. Von Tag zu Tag wurde ich mehr und mehr bedrängt
und die wenigen Komitate, die hinter uns standen, genügten zwar zur Verpflegung der berittenen Mannschaft, doch erschwerten die flüchtenden Magnaten, Adligen und die große Zahl der Soldatenfamilien, die unserm Bunde treu geblieben waren und die die von den Feinden besetzten Komitate aus eigenem Entschluss verlassen hatten und uns gefolgt waren, die Lage des bedrängten Volkes außerordentlich. Der Winter tobte und ungeheure Schneemassen bedeckten die Erde, so dass selbst der Reiter nur die Wege gebrauchen konnte; die flüchtende Masse wanderte mit angehäuften Bauernwagen von Dorf zu Dorf und suchte teils nach mitteln zum Unterhalt, teil nach Sicherheit in den Bergen und den Schlupfwinkeln der Sumpfgebiete. Der Soldat verließ die Fahne, um seine Familie zu retten und verpflegen zu können und die traurigen Klagen des Volkes und der Flüchtenden klangen mir ununterbrochen im Ohr. Die fast barfuß laufenden Soldaten verließen ihre Stellungen, gezwungen von der Kälte, der eine büßte dann seine Waffe, der andere sein Pferd, alle aber ihren Sold ein. Sir trugen mir ihre berechtigten Klagen vor;
sie gaben das Soldatentum nicht aus Treulosigkeit oder bösem Willen auf, sondern viel eher, weil es unhaltbar geworden war…
Nachdem der Feind Szolnok und Erlau mit Leichtigkeit zurückgenommen hatte, überschritt er die Theiß, um mich, nachdem sich ein Teil seines Heeres mit den in Siebenbürgen stehenden Deutschen vereinigt hatte, zu umzingeln, Aus diesem Grunde beriet ich mich mit meinem Feldherrn und dem Befehlshaber der transtisischen Teile, dem Grafen Károlyi, und gestattete ihm, dass er an den Grafen Johann Pálffy, den Oberbefehlshaber des Kaiserlichen Heeres einen Brief schreibe, in dem er den Friedenschluss in Aussicht stellen und sich um einen Waffenstillstand bemühen sollte…
Du führtest mich auf demselben Wege aus Ungarn hinaus, begleitet von vielen Dienern und einem zahlreichen Hofe, auf dem Du mich im Jahre 1703, begleitet von drei Dienern, in das Land geführt hast, um den Krieg zu beginnen. Als ich ging, war mein Gewissen und der Zustand meiner Seele derselbe, als wie ich kam; mit den Sünden eines Privatmenschen befleckt trat ich ein, belastet mit den Sünden eines Fürsten kehrte ich nach Polen zurück. Du weißt, dass ich zurückkehrte wie ein Hund zur ausgespieenen Speise und wie einer, der von Deinen Wegen abgeirrt ist;
mich beängstigte und betrübte das Schicksal und das Elend jener, die mir im Lande treu geblieben waren,
nicht aber die Verfassung musste, nicht die Verbannung aus meiner Heimat, sondern dass ich niemandem unter ihnen die Möglichkeit zum Leben gesichert hatte….“
Ausschnitt aus „Bekenntnisse“ von Ferenc Rákóczi II. (1676-1735). Übersetzt aus dem Französischen
Das ungarische Parlament hat den 27. März, den Geburtstag von Ferenc Rákóczi II, Fürst von Siebenbürgen und Ungarn, Anführer des Rákóczi-Freiheitskrieges, zum Gedenktag erklärt.
Bildquelle: Ádám Mányoki: Portrait von Ferenc II. Rákóczi (1712)