Gegen das Vergessen. Ein Zusammenschnitt von Lauterbach-Aussagen, erstellt 2023.
Wie kaputt muss ein Land sein, dass ein Politiker damit durchkommt!
Wie kaputt muss ein Land sein, dass ein Politiker damit durchkommt!
12. April 2024 tkp,at Der Blog für Science & Politik von Thomas Oysmüller
Ob bei der Kulturpolitik oder beim Ukraine-Konflikt: Ungarn schert aus dem US-geführten transatlantischen Block aus. Vor allem außenpolitisch ist Orbans-Regierung zuletzt immer selbstbewusster und selbstbestimmt geworden. Viele Beobachter warnen jetzt, dass die USA deshalb versuchen würden, eine „Farbrevolution“ in Ungarn zu initiieren. Denn die Behörde „USAID“ hat das Programm wieder aufgenommen.
„Ich bin hier in Ungarn. Eines der Länder, wo das USAID-Programm wieder aufgenommen wurde“, verkündet Samantha Power vor wenigen Tagen via Twitter. Sie ist die Direktorin von USAID und war US-Botschafterin bei der UN. Power würde – laut eigenen Angaben – „jeden Tag mit Menschen zusammenarbeiten, die demokratische Institutionen stärken, unabhängige Medien aufbauen und die Menschenrechte fördern und verteidigen.“ All das, was Orbans Ungarn geht es nach dem transatlantischen Block dringend brauchen würde.
USAID ist für US-Kritiker eine zentrale Institution, die an politischer Einflussnahme im Ausland arbeite und sogenannte „Farbrevolutionen“ vorbereite.
Recht gut dokumentiert ist, wie die USA versucht hatten, über USAID einen kubanischen Widerstand gegen die Castro-Regierung aufzubauen. Auch ist belegt, dass USAID eng mit der Soros Stiftung „Open Society“ zusammenarbeitet.
Ungarn wird außenpolitisch immer selbstbewusster. Zuletzt richtete Orbans Außenminister dem US-amerikanischen Botschafter aus: „Ungarn ist ein souveränes Land.“ Botschafter, die in Budapest wären, um eine Politik vorzugeben, würden nicht mehr akzeptiert werden. „Diese Zeit ist vorbei“. Es sei auch „unwichtig“, was Bürger andere Staaten – wie Botschafter – über die ungarische Innenpolitik denken würden.
Die Ansage von Péter Szijjártó kam Anfang Februar. Etwa eine Woche später veröffentlichte Samantha Power ihr Video, dass sie aktuell in Ungarn sei. Doch das ist nicht nur symbolisch: Power merkte am Samstag deutlich an,
dass amerikanische Beamte und NGOs gerade in Ungarn (wieder) aktiv werden. Dies sei „oft ein Vorläufer für Versuche einer Farbrevolution“,
schreiben US-Kritiker. „Welche Farbe wird die ungarische Farbrevolution haben“, fragt etwa der Blog „Geopolitics & Empire“.
Noch deutlicher ist Gonzalo Lira:
‚Samantha Power bereitet die Mechanismen für den Sturz von Viktor Orban vor – pro-demokratische Nichtregierungsorganisationen‘, die in Wirklichkeit Auftragnehmer der CIA sind, um Agents Provocateurs zu rekrutieren. Bald wird es Unruhen in Budapest geben. Schauen Sie zu – sie tun immer das Gleiche.“
Pascal-Emmanuel Gobry, vom “Ehtics und and Public Policy Center” in Washington D.C. kommentierte Powers Auftritt so: “Sie versuchen es nicht zu verbergen.“ Power erntete tatsächlich einen heftigen Shitstorm von Republikanern. Für diese ist es offenbar mittlerweile völlig unbestritten, dass USAID als politisches Instrument eingesetzt wird, um unliebsame Regime unter Druck zu setzen oder gar zu stürzen. Auch die massiven Investitionen von USAID in die Ukraine keine Geheimnisse. Orban, der beste Beziehungen mit Trump pflegt, dürfte gewarnt sein.
Dieser Artikel erschien vor einem Jahr, am 12. Februar 2023 bei tkp, dem Blog für Science & Politik https://tkp.at/2023/02/12/warnungen-vor-geplanter-us-farbrevolution-in-ungarn/
11. April 2024 Siebente Ecloga
Vor 80 Jahren wurde eine herausragende Persönlichkeit der ungarischen Literatur des 20. Jahrhundert, Miklós Radnóti (geb. Glatter, 1909-1944) ermordet. Er entstammte einer integrierten jüdischen Familie. Bei seiner Geburt verlor er seine Mutter und seinen Zwillingsbruder. Sein Vater starb 1921, als er zwölf Jahre alt war. Radnóti wuchs bei Verwandten auf. Nach dem Abitur verfolgte eine kaufmännische Ausbildung. 1928 begann er ein Studium für ungarische und französische Literatur an der Universität von Szeged. Er arbeitete als Übersetzer und Privatlehrer. Seine Werke wurden hier erstmals unter dem Namen Miklós Radnóti veröffentlicht.
1942 und 1943 wurde er wegen seiner jüdischen Abstammung mehrfach zum Arbeitsdienst eingezogen. Im Mai 1944 wurde er zunächst an die ukrainische Front beordert und später im Lager Bor in Serbien interniert. Von hier wurde er im August 1944 mit mehreren tausend jüdischen Zwangsarbeitern in Gewaltmärschen quer durch Ungarn zur österreichischen Grenze getrieben und mit 21 seiner Mitgefangenen bei Abda, nahe der österreichischen Grenze, ermordet. Das Massengrab wurde nach dem Krieg 1946 exhumiert. Bei der Exhumierung wurden in seiner Jackentasche ein Notizbuch mit seinen letzten Gedichten gefunden. Dieses Gedicht, die SIEBENTE ECLOGA hat er, im Juli 1944 im Lager Heidenau in makellosen Hexametern geschrieben.
Siehst du, der Abend naht, und der Stacheldraht rings und der wilde
Eichzaun und die Baracke, sie schweben hinein in sein Dämmern.
Langsam löst sich der Blick von unsrer Gefangenschaft Rahmen,
und der Verstand nur allein weiss noch um die Ladung des Drahtes.
Sieh, auch die Phantasie gewinnt hier nur so ihre Freiheit,
unsern gebrochenen Leib löst der Schlaf, der schöne Befreier,
und das Gefangenenlager schwebt nun, da die Nacht naht, nach Hause.
Schnarchend, in Lumpen gehüllt und kahl fliegt von Serbiens blinder Höhe der Häftlinge Schar in die Heimat, die schweigend geduckte. Schweigend geduckte Heimat! Oh, gibt es denn noch ein Zuhause?
Wurde es nicht schon zerbombt? Und ist’s so noch, wie einst wir’s verliessen?
Und ob, wer rechts von mir stöhnt und links hingestreckt liegt, einst wohl heimkehrt?
Sag, gibt’s dort noch einen Ort, wo man den Hexameter verstehn kann?
Ungefähr, ohne Sicht, nur Zeile um Zeile abtastend, schreibe ich hier in der Dämmerung Verse, schreib so, wie ich lebe,
wie ein Regenwurm blind den glatten Papiergrund befühlend.
Taschenlampe und Bücher nahmen die Wächter des Lagers,
und statt der Post, der ersehnten, dringt Nebel in unsre Baracke.
Unter Gerücht- und Gewürmen leben hier Polen, Franzosen,
Römer, verträumte Bergjuden, separatistische Serben,
Stücke nur fiebernden Leibs und dennoch ein Leben hier lebend,
wartend auf frohe Botschaft, aufs Wort einer Frau, auf die Freiheit, auf das in dichte Dämmerung stürzende Ende, auf Wunder.
Bettenlos lieg ich, gefangenes Tier zwischen Würmern; der Flöhe
Ansturm hebt neu wieder an, da die Heere der Fliegen nun ruhen.
Sieh, es ist Abend, Geliebte: ein Tag der Gefangenschaft weniger
und ein Lebenstag auch. Das Lager schläft. Auf die Landschaft
scheint nun der Mond und macht den Stacheldraht wieder erglänzen,
und man sieht durch das Fenster die Schatten bewaffneter Wächter
an die kalkige Wand projiziert unter nächtlichen Stimmen.
Siehst du, Geliebte, das Lager schläft, und es rauschen die Träume, einer, aufgeweckt, schnauft, dreht sich um auf dem engen Fleck und schon schläft
er wieder, und sein Gesicht strahlt. Nur ich allein wache,
schmeckend den halb aufgerauchten Stummel im Munde anstelle
deines Kusses Geschmack, und es naht mir der Schlaf nicht, der milde, denn nicht sterben, nicht leben kann ich nunmehr ohne Dich.
Lager Heidenau, im Juli 1944
Übersetzt von Fühmann, Franz
MAGYARUL: https://youtu.be/SlwL1foUTpk?si=zIYMHq6U-SyJChA6