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Eine verlässliche bürgerliche Politik

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18. März 2024 Preußische Allgemeine Zeitung im Gespräch mit Bence Bauer

Warum es sich für deutsche Akteure lohnt, die ungarische Regierung nicht einfach nur pauschal zu verdammen, sondern genauer auf die Ursachen des Erfolgs des Ministerpräsidenten Viktor Orbán und seiner Partei „Fidesz“ zu schauen. Sind Ungarn und sein Regierungschef tatsächlich jene streitlustigen Störenfriede, als die sie in europäischen Debatten fast immer dargestellt werden? Dieser Frage geht ein intimer Kenner sowohl der deutschen als auch der ungarischen Verhältnisse in seinem neuen Buch nach. Ein Gespräch über ein Land, das stets mit großer Anteilnahme und Verbundenheit auf Deutschland blickt – von dort jedoch allzu oft nur Ablehnung erfährt und schroffe Belehrungen zu hören bekommt.

  • Herr Dr. Bauer, der Titel Ihres Buches lautet: „Ungarn ist anders“. Das wirft die Frage auf: Anders als was ober wer?

Der Titel des Buches weist darauf hin, dass in Ungarn viele Entwicklungen und Debatten anders gelagert sind als in Deutschland. Auch als Land ist Ungarn anders, als ein Großteil der deutschsprachigen Medien es beschreibt. Deshalb versuche ich, in zwei Dutzend Aufsätzen zu Themen wie Nation und Geschichte, politische Positionen oder zum Verhältnis zu den Nachbarn und zur Europäischen Union ein realistischeres Bild von unserem Land zu vermitteln.

Ein zentrales Thema sind die deutsch-ungarischen Beziehungen. Unsere Nationen verbindet eine lange Geschichte. Ungarn ist im weitesten Sinne auch Teil des deutschen Sprach-, Kultur- und Zivilisationsraumes, sodass es den Ungarn nie egal ist, was in Deutschland passiert. Und den Deutschen kann es umgekehrt auch nicht egal sein, was in Ungarn geschieht.

  • Ihr „kann“ klingt jedoch eher wie eine Beschwörung als eine Beschreibung. Haben die Deutschen in Bezug auf Ungarn ein Wahrnehmungsdefizit?

Durchaus. Wobei ich nicht glaube, dass Ungarn den Deutschen egal ist. Ich denke aber, dass die Deutschen noch immer zu wenig wissen – nicht nur von Ungarn, sondern auch von anderen Ländern, die früher aus westlicher Sicht „hinter dem Eisernen Vorgang“ lagen.

In den alltäglichen Debatten erleben wir, dass dieser Zustand nicht trivial ist. Im Zuge der Erweiterungen der Europäischen Union war die Erwartung im Grunde immer, dass sich die Neumitglieder den alten anpassen. Man wollte im Westen vielerorts nicht wahrhaben, dass einige EU-Mitgliedsstaaten zwar gern Teil der europäischen Familie sind, dies aber keineswegs bedeutet, dass sie ihre nationalen Eigenheiten aufgeben wollen.

  • Wo Ungarn deutlich anders ist als Deutschland, ist die politische Landschaft. Während hierzulande das bürgerliche Lager zersplittert ist, gibt es in Ungarn den starken Bürgerbund „Fidesz“ um Viktor Orbán, der gerade zum fünften Mal regiert und bei der letzten Wahl zusammen mit dem christdemokratischen Partner KDNP sogar eine Zweidrittelmehrheit erzielt hat. Was ist das Geheimnis von „Fidesz“ und Orbán?

Eine wichtige Grundlage des Erfolges ist, dass Orbán und „Fidesz“ keine unnötigen gesellschaftlichen Konfliktlinien eröffnen, sondern eine verlässliche bürgerliche Politik verfolgen, die von großen Teilen der Wähler goutiert wird – und zwar auch von nicht-konservativen. Dies gilt unter anderem für Themen wie Migration, Familie, innere Sicherheit und Wirtschaft.

Bei diesen Themen wirkt die ungarische Regierung übrigens wie ein Gegenpol zur deutschen „Ampel“. Das ist keine Kritik oder eine Lobpreisung in die eine oder andere Richtung, sondern eine Feststellung der Tatsachen. Doch während die Bundesregierung schlechte Zustimmungswerte hat, weil sie auf vielen Feldern eine andere Politik verfolgt als die Mehrheit der Deutschen, fährt Orbán regelmäßig hohe Wahlsiege ein, weil er sich daran orientiert, was seine Landsleute wollen.

Noch ein Blick auf das bürgerliche Lager. In Ungarn gibt es keine Repräsentationslücke. „Fidesz“ deckt ein breites Mitte-Rechts-Spektrum ab, das sich in Deutschland mittlerweile auf verschiedene Parteien verteilt. Das war früher, als die Union alle demokratischen Kräfte rechts der Mitte vereinte, bekanntermaßen anders.

  • Ungarns Politik wird in Deutschland jedoch zumeist nicht als „bürgerlich“ beschrieben, sondern in die Nähe autokratischer Regime gerückt.

Vieles von dem, was große Teile der überwiegend linksliberalen Medien in Deutschland über Ungarn sagen, trifft einfach nicht zu. Oft stimmt sogar das Gegenteil von dem, was in Deutschland behauptet wird. Ein Beispiel ist der Vorwurf, Orbán würde unser Land aus der EU steuern wollen. Dabei hat er immer wieder klar geäußert, dass er die Union keineswegs verlassen, sondern reformieren will.

Letztlich kommen jene, die Orbán kritisieren, nicht daran vorbei, dass die Ungarn ihn in freien Wahlen immer wieder im Amt bestätigen. Und wer die Debatten in Ungarn verfolgt, kann nicht behaupten, dass die hiesige Opposition und die ihr nahestehenden Medien mundtot wären. Ganz im Gegenteil gibt es zum Teil sehr scharfe Auseinandersetzungen, aus denen jedoch Orbán und seine Partei zumeist als Sieger hervorgehen.

  • Eine wichtige Person der ungarischen Politik ist auch das Staatsoberhaupt. Staatspräsidentin Katalin Novák ist in Ihrem Buch sogar ein Kapitel gewidmet. Allerdings ist sie unlängst zurückgetreten. Weshalb?

Präsidentin Novák ist am 10. Februar wegen ihres unglücklichen Agierens in einem Begnadigungsfall, der für große öffentliche Entrüstung sorgte, zurückgetreten. Ein stellvertretender Waisenhausleiter war zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er Opfer sexuellen Missbrauchs nötigen wollte, ihre Aussage gegen den damaligen Direktor dieses Waisenheimes zurückzunehmen. Als er nach einiger Zeit im Gefängnis in den offenen Vollzug wechselte, hat er einen Begnadigungsantrag durch seine Familie stellen lassen. Diesem Begnadigungsantrag wurde von Novák entsprochen, obwohl das Justizministerium das nicht befürwortet hatte. Die Staatspräsidentin gestand ein, dass sie die Situation falsch beurteilt hatte, und trat zurück.

Konsequenzen hatte die Affäre auch für die damalige Justizministerin Judit Varga, die das Gnadengesuch nicht unterstützt hatte, jedoch der üblichen Praxis folgend die durch die Präsidentin bewilligte Begnadigung im Nachhinein gegengezeichnete. Varga hatte bereits 2023 ihr Amt als Ministerin niedergelegt, um sich auf ihre Spitzenkandidatur für die diesjährige Europawahl konzentrieren zu können. Von dieser Kandidatur trat sie im Zuge der Begnadigungsaffäre ebenso zurück wie von ihrem Mandat als Abgeordnete der Nationalversammlung.

Sein Amt niederlegen musste auch der bisherige Präsident der Synode der Reformierten Kirche in Ungarn, Bischof Zoltán Balog, der von 2012 bis 2018 als Minister zuständig für Humanressourcen war. Balog kennt den Verurteilten persönlich und hatte sich bei der Staatspräsidentin für ihn eingesetzt.

  • Was bedeutet es für die ungarische Politik, wenn derartige politische Schwergewichte ihre Ämter niederlegen müssen?

Für „Fidesz“ ist vor allem der Rücktritt der beiden Damen ein großer Verlust. Obwohl die Präsidentin nicht mehr als Parteipolitikerin in Erscheinung trat, war sie eine wichtige intellektuelle Stütze des bürgerlichen Lagers in Ungarn. Auch die vormalige Justizministerin war als Spitzenkandidatin für Brüssel wichtig für das Erscheinungsbild der Partei.

Beide Damen, mit Mitte 40 noch jung, sind auch intellektuell sowie von ihrer Eloquenz her beispielhaft und vorteilhaft für das Erscheinungsbild von „Fidesz“. Ihr Verlust wird sich nicht so schnell beheben lassen. Allerdings halte ich es für möglich, dass sie nach einigem zeitlichen Abstand wieder in die Politik zurückfinden.

  • Ist Regierungschef Orbán durch die Affäre beschädigt?

Ich denke nicht. Auch in Ungarn gilt, dass in jeder Krise nicht nur die Ereignisse selbst zählen, sondern auch der Umgang damit. In dieser Hinsicht haben die Rücktritte von Novák und Varga gezeigt, dass die hohen moralischen Ansprüche von „Fidesz“ auch für die eigene Partei gelten. Und mit der Wahl von Tamás Sulyok, dem bisherigen Präsidenten des Verfassungsgerichts, zum neuen Staatsoberhaupt hat Orbán bewiesen, dass er mit der schnellen Nominierung einer fachlich wie persönlich angesehenen Persönlichkeit das Heft des Handelns in der Hand behalten hat. Somit hat er die Krise vielleicht sogar in einen Erfolg ummünzen können.

  • Zurück zu Ihrem Buch. Mit Blick auf das Staatsverständnis bezeichnen Sie die Deutschen als relativ junge Nation, während Sie Ungarn ein altes Staatsverständnis attestieren. Wie meinen Sie das?

Die ungarische Staatlichkeit geht zurück auf die Krönung des heiligen Königs István/Stephan I. im Jahre 1000. Sie ist damit wesentlich älter als die deutsche, die sich – nach langer Vielstaaterei im alten Kaiserreich und im Deutschen Bund – im Grunde erst mit der Reichsgründung von 1871 herausgebildet hat. Und wenn man sich die Verhältnisse genau ansieht, sind viele Deutsche noch immer nicht mit ihrer Nation im Reinen.

Da Ungarn in seiner Geschichte oft fremdbestimmt war, ist „Nation“ hier keinesfalls negativ besetzt, sondern ein Synonym für das Freiheitsbewusstsein unserer Landsleute. Weshalb selbst ungarische Grüne und Sozialisten für sich in Anspruch nehmen, gute Patrioten zu sein. Anders als in Deutschland ist „Nation“ in Ungarn also kein spaltender, sondern ein integrativer Begriff, um den sich alle politischen Lager vereinen.

  • Zum unterschiedlichen Verständnis von Nation gehört auch, dass die ungarische größer ist als die Grenzen des heutigen Staates. Mehr als zwei Millionen Magyaren leben in Regionen, die bis zum Vertrag von Trianon zum Königreich Ungarn gehörten. Deshalb wird das Engagement der ungarischen Politik für die im Ausland lebenden Landsleute stets kritisch beäugt.

Mit Ausnahme einer kleinen rechtsradikalen Partei gibt es in Ungarn keine politische Kraft, die sich auch nur gedanklich mit einer eventuellen Revision der bestehenden Grenzen beschäftigen würde. Allerdings ist die Tatsache, dass die ungarische Nation größer ist als die Staatsgrenzen, ein Faktum. Allein im rumänischen Siebenbürgen leben über 1,2 Millionen ungarische Landsleute in historisch gewachsenen Siedlungsgemeinschaften, die auch künftig als Minderheit bestehen bleiben wollen. Unser Staat sieht es als seine Aufgabe an, diese Gemeinschaften, auch die ungarischen Kirchengemeinden, bei der Erhaltung ihrer Sprache, in der Pflege ihrer Kultur und bei der Wahrung aller sonstigen Minderheitenrechte zu unterstützen.

Wenn dieses Engagement, das in voller Übereinstimmung mit den Regularien der Europäischen Union erfolgt, in Deutschland kritisch beäugt wird, bestätigt das wieder einmal die Erfahrung, dass viele Debatten der Deutschen über Ungarn im Grunde Debatten der Deutschen über sich selbst sind.

  • Ungarn übernimmt zum 1. Juli die Ratspräsidentschaft in der EU. Was ist dann von der ungarischen Politik zu erwarten?

Ungarn wird in sechs Bereichen Akzente setzen, und zwar in der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der europäischen Verteidigungspolitik sowie in der Förderung des EU-Erweiterungsprozesses und damit zusammenhängend die Gestaltung der Zukunft der Kohäsionspolitik. Außerdem wird Ungarn großen Wert auf die externe Dimension der Migration und auf die Bewältigung demographischer Herausforderungen legen.

Schon bei seiner ersten Ratspräsidentschaft 2011 hat Ungarn sich zu einem starken Europa bekannt. Dass seitdem die Macht der Brüsseler Institutionen gestiegen, zugleich jedoch der Einfluss Europas in der Welt geringer geworden ist, zeigt, dass zu einem starken Europa unbedingt auch souveräne Mitgliedsnationen gehören.

Das Gespräch führte René Nehring.

Dr. Bence Bauer ist Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts am Mathias-Corvinus-Collegium in Budapest.
www.mcc.hu https://magyarnemetintezet.hu/de/

Quelle

Unternehmen Margarethe: die deutsche Besetzung Ungarns, am 19. März 1944

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19. März 2024 Magyar Hírlap von IRÉN RAB

Ich schätzte deutsche Dokumentarfilme über den Zweiten Weltkrieg sehr. In den Archiven gab es viel Originalmaterial und die Professionalität der Filmteams war stets hervorragend. Es gab keine Fehler in der Darstellung der Waffengattungen, der Zahlen, der Operationen selbst. Pearl Harbour, die Landung in der Normandie, die Wüstenoperationen und sogar die Schlacht von Stalingrad wurden in einer fairen, distanzierten Art und Weise behandelt, während darauf geachtet wurde, die Bezeichnung „Deutsch“ so wenig wie möglich zu verwenden. Stattdessen wurde als Synonym „Nazi“ verwendet, und die Nazis wurden für die Verwüstungen des Krieges verantwortlich gemacht, als ob sie, die Deutschen, nicht dabei gewesen wären. Nur die Nazis und natürlich die Ungarn, die mit den Nazis kollaborierten, waren dabei, angeführt vom Reichsverweser Horthy, Hitlers erstem und letztem Gefolgsmann. Sie konnten dies mit solch einem Nachdruck artikulieren, dass das Messer eines Ungarn sich im Sack sofort öffnete und alles, was er bis dahin gehört hatte, plötzlich in Misskredit geriet.

Wir wissen, dass sich die Deutschen nicht einmal ihrer eigenen Geschichte besonders bewusst sind. Deshalb dachte ich, dass ich sie ein wenig in die Vergangenheit eintauche.

Sie brauchten Ungarn wegen seiner Lage, wegen seiner Rohstoffe und Nahrungsmittel, und sie brauchten die Ungarn, die etwa eine halbe Million Soldaten, welche sie in den Fleischwolf eines hoffnungslosen Krieges werfen wollten.

Sie überfielen ihre eigenen Verbündeten, weil sie ihnen nicht trauten.

Die Ungarn wollten nämlich ihre Soldaten von den deutschen Fronten zurückbeordern, um nach alter Tradition ihr eigenes Land zu verteidigen, sie verhandelten heimlich einen Sonderfrieden mit den Briten aus und gingen in der Judenfrage auch ihre eigenen Wege.

Trotz aller nachträglichen Anschwärzungen und Verdrehungen war Ungarn der letzte Zufluchtsort für Juden in Mitteleuropa. Die Nachwelt hat dem nationalkonservativ-christlichen Regime, das Horthys Namen trug, den Beinamen antisemitisch und faschistisch angehängt. Eine Nachwelt, die einen Sündenbock brauchte und dem Regime Horthys seine antikommunistischen Aktivitäten nie verziehen hat.

Der Plan für die Invasion stand bereits Ende 1943 fest, nachdem SS-Brigadeführer Edmund Veesenmayer, ein Diplomat und Spion, einen Erkundungsbesuch in Budapest absolviert hatte. Veesenmayer verfasste einen schön langen internen Informationsbericht über das Land, die Politiker, die Ungarn im Allgemeinen und darüber, wie die Ungarn so sind.

Er zeigt, dass Ungarn von 1526 bis 1918 nie ein unabhängiger Staat war. Es soll nie die Kraft oder den Willen dazu gehabt haben, sagt der deutsche Spion, allerdings hätten die Ungarn immer rebelliert und alles sabotiert, ihre Daseinsberechtigung sei der risikolose Widerstand. Das ungarische Volk soll unfähig zu einem eigenen nationalen Leben sein, und deshalb gäbe es auch keine ungarische Nation und keine ungarische Nationalkultur. In diesem Land sollen die deutsche Wissenschaft und die deutsche Kultur immer vorherrschend gewesen sein, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Veesenmayer will auch gewusst haben, dass Ungarn keine Freunde hatte, dass jeder sein Feind war, vor allem aber die Völker, die an seinen Grenzen lebten. Das einzige Volk, mit dem die Ungarn gut auskamen, waren seiner Meinung nach die Juden. Für uns, welche die deutsche Denkweise kennen, war das alles andere als schmeichelhaft, ebenso wie die zusammenfassende Meinung, dass

Dieser Veesenmayer-Bericht wurde zur Grundlage fürs Unternehmen Margarethe, dem Plan für die deutsche Invasion in Ungarn. Der ungarische Geheimdienst, mit den anerkannt besten Kryptographen der Welt, entschlüsselte zwar die Geheimcodes sofort, aber die Zuständigen weigerten sich, es zu glauben, weil die Deutschen ja unsere Freunde seien und sie sagten, sie hätten keine solchen Absichten!

Am 17. März 1944 folgten der Reichsverweser Horthy und seine drei wichtigsten Männer deswegen fast ahnungslos Hitlers Einladung. Horthy hätte misstrauisch sein müssen, denn auch Buda war 1541 unter dem Vorwand einer Einladung von den Türken eingenommen worden. Während der Kleinkind-König und die ungarischen Aristokraten im Zelt des Sultans Kaffee oder wie man damals sagte, die schwarze Suppe tranken, drangen die Janitscharen in die Burg von Buda ein und blieben dort 150 Jahre lang. (Nach historischen Traditionen luden die Russen 1956 auch die Revolutionsführer zu Verhandlungen ins sowjetische Hauptquartier in Tököl ein, um sie dort sofort verhaften zu lassen.)

Der Reichsführer sagte, wenn sie nicht auf die deutschen Forderungen eingingen,  indem sie z.B. keine nationalsozialistische Kollaborationsregierung einsetzten, würde mit Sicherheit die Besetzung das Landes folgen. Er warf auch das übliche Erpressungspotential ein, dass die Rumänen und Slowaken eingeladen werden könnten, sich an der Besetzung zu beteiligen. Horthy sagte, dass er einen solchen Ton nicht dulden würde, und verließ dort den Führer. Wenn er seine Pistole zur Hand gehabt hätte, hätte er ihn vielleicht erschossen.

Horthy war eine souveräne Persönlichkeit, er war nicht nur Politiker, sondern auch Soldat, Oberbefehlshaber der kaiserlichen und königlichen Marine in dem großen Krieg, in dem der deutsche Reichsführer nur den Rang eines Gefreiten erklimmen konnte. Der ehemalige Gefreite respektierte, fürchtete und hasste Horthy aus den Tiefen seiner Vergangenheit heraus für seine konsequente und durchsetzungsfähige Art.

Die Operation kam aus vier Richtungen: Serbien, Kroatien, Slowakei und Österreich. Es war eine Präzisionsinvasion, bei der bewaffnete deutsche Truppen strategisch wichtige Punkte, Flugplätze, Eisenbahn- und Straßenbrücken, Militärgarnisonen und Industriegebiete besetzten. Widerstand wurde nicht geleistet, denn angesichts der deutschen militärischen Überlegenheit wäre er ein unnötiges Blutopfer gewesen.

Hitlers Verhalten uns gegenüber war eine so bodenlose Niederträchtigkeit, dass es uns von allen zukünftigen Verpflichtungen gegenüber Nazi-Deutschland entbindet„, sagte Miklós Horthy.

Die nach Ungarn entsandten deutschen Strafverfolgungs- und Sicherheitskräfte trafen mit einer vorab erstellten Namensliste ein, und die Verhaftungen begannen noch am Tag des Einmarsches.

Die Verhaftungen wurden ohne Unterbrechung durchgeführt, und dank deutscher Gründlichkeit und Organisation waren die Tore, an denen die Kommandos den Feind finden würden, im Voraus markiert. Feind war jeder, der nicht für die Nazis war. Und davon gab es viele in den führenden Kreisen Ungarns. Die zivile Regierung wurde abgesetzt und durch nazifreundliche Quislinge ersetzt, ebenso wie die wichtigsten staatlichen Stellen.

Nach der deutschen Besatzung wurden mehr als hundert Rechtsvorschriften erlassen, die

Der numerus nullus, die totale Entrechtung und Entmündigung der Juden, wurde verordnet. Das Sondereinsatzkommando, gemeinhin als Eichmann-Kommando bekannt, deportierte unter eifriger Mitwirkung pro-nazistischer Ungarn zunächst die Juden auf dem Land. Budapest hätte folgen sollen, das wurde aber Anfang Juli von Horthy und seinen Mitstreitern, die nur über begrenzte Macht verfügten, verhindert. So betrug der Verlust „nur“ sechshunderttausend Menschen.

Edmund Veesenmayer, Hitlers Bevollmächtigter im besetzten Ungarn, wurde in den verschiedenen Volksgerichtsprozessen als Zeuge vernommen. Er wurde in Nürnberg angeklagt und 1949 zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Fünf Jahre später war er auf freiem Fuß und sofort in der deutschen Geschäftswelt heimisch, wohlhabend und ein angesehener Bürger.

Die von der Gestapo verhafteten Ungarn – diejenigen, die Folter, Inhaftierung und Deportation überlebten – wurden nach der „Befreiung“ in der Regel in sowjetische Gefangenschaft gebracht und endeten zu jahrzehntelanger Zwangsarbeit irgendwo im Gulag. Ihre politische Rehabilitierung erfolgte erst nach dem Regimewechsel, nach 1989, meist posthum.

Autorin, Dr. phil Irén Rab ist Kulturhistorikerin

Deutsche Übersetzung von Dr. Andrea Martin

MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20240319-a-margareta-terv-magyarorszag-nemet-megszallasa

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