29. Februar 2024 Magyar Hírlap von IRÉN RAB
Wenn er in den Krieg ziehen muss, dann ist er ein Ukrainer. Wenn er nach Deutschland flieht, um dem Krieg zu entkommen, gilt er sofort als Ungar, welcher dem deutschen Fiskus schaden will.
In Deutschland verzeichnet das Ausländerzentralregister derzeit 1 139 689 ukrainische Flüchtlinge, von denen 941 559 die gesetzlich vorgeschriebene Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Diese Zahlen spiegeln die Daten im Register wider, aber niemand weiß wirklich, wie viele nach Deutschland kamen und wie viele weitergereist sind, da die Visumspflicht abgeschafft wurde und die ukrainischen Pässe die Freizügigkeit innerhalb der Schengen-Grenze und selbstverständlich unter den Bundesländern ermöglichen. Interessant ist die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb des Landes: In den ostdeutschen Regionen, die näher an der Heimat liegen, gibt es viel weniger Flüchtlinge als in den wohlhabenderen südlichen und westlichen Bundesländern. Auffällig ist auch die Geschlechterverteilung: zwei Drittel der Flüchtlinge sind weiblich, ein Drittel männlich, und insgesamt ist ein Drittel der Flüchtlinge minderjährig, das Durchschnittsalter beträgt vierzig Jahre. Die Statistik zeigt, dass die jüngere, die Generation der Zukunft, die Ukraine verlässt, während die älteren zu Hause bleiben.
Ukrainische Flüchtlinge genießen in Deutschland einen Sonderstatus: Sie können sich aussuchen, wo sie wohnen wollen, und so leben die meisten in privaten Wohnungen, Häusern oder in Hotels und nur acht Prozent in kommunalen Flüchtlingsunterkünften.
Laut Meinungsforschung will die Hälfte der Flüchtlinge langfristig nicht in die Ukraine zurückkehren, sondern sich in Deutschland niederlassen und ein neues Leben beginnen.
Der deutsche Staat setzt alles daran, dass sich die Ukrainer in Deutschland zu Hause fühlen. Sie müssen nicht auf die Bearbeitung ihres Asylantrags warten, sondern erhalten automatisch eine Aufenthaltserlaubnis. Ursprünglich war der Aufenthalt für ein Jahr befristet, aber die EU hat beschlossen, ihn für Kriegsflüchtlinge auf drei Jahre zu verlängern, bis zum 1. März 2025. Auch die EU rechnet damit, dass sich der Krieg weiter hinzieht. Anstatt die Entscheidungen ständig zu ergänzen, erwägt sie nun eine zentrale Regelung, die für alle EU-Mitgliedsstaaten verbindlich ist.
Um der neuen Situation gerecht zu werden, haben die Deutschen sofort ein Gesetz verabschiedet. Die ukrainischen Kriegsflüchtlinge fallen in eine völlig andere Kategorie als andere Asylbewerber. Vielleicht, weil jedem klar ist, dass in der Ukraine wirklich Krieg herrscht und man kann die Solidarität somit noch mehr zum Ausdruck bringen. Vielleicht, weil die Ukrainer doch weiße Europäer sind (was für eine Diskriminierung der BLM!).
Das neue Gesetz besagt, dass Ukrainer Anspruch auf ähnliche Leistungen wie deutsche Staatsbürger haben und die Grundsicherung das sog. „Bürgergeld“ erhalten, die sonst nur Arbeitslosen in Deutschland zusteht.
Im Haushaltsplan 2024 wird die Höhe des Bürgergeldes für Ukrainer auf 6 Mrd. EUR veranschlagt, aber der Staat übernimmt zusätzlich die Sozialversicherungs- und Rentenbeiträge, die Miete und die Nebenkosten. Außerdem haben sie Anspruch auf Gesundheits- und Sozialleistungen, Familien- Kinderbetreuungs- sowie Weiterbildungsbeihilfen und natürlich auf Arbeit. Allerdings ist nur ein Fünftel der Ukrainer erwerbstätig, jeder fünfte zählt als arbeitslos. Eine halbe Million Ukrainer sind im Register des Arbeitsamtes als arbeitsfähig eingetragen, was aber nicht bedeutet, dass sie auch arbeiten. Die meisten von ihnen wissen nicht einmal, wie man arbeiten könnte, weil sie alleinerziehend sind, Sozialhilfe beziehen oder in einem Integrationskurs Deutsch lernen.
Kurz gesagt, die Aufnahmepolitik ist eine erhebliche Belastung für die deutsche Gesellschaft und den Staatshaushalt. Daher beschloss das Ministerium, die Anspruchsberechtigung zu überprüfen. Mehr als 5.000 ukrainische Flüchtlinge, bei denen Betrugsverdacht besteht, wurden überprüft. Es handelt sich um solche ukrainische Flüchtlinge (Moldawier, Rumänen, Slowaken, Weißrussen und Ungarn), die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. In einem solchen Fall schlägt die Untersuchung vor, dass der Flüchtling einen Antrag in diesen Ländern stellen sollte.
Von den 5.609 untersuchten Fällen ermittelte das Asylamt 208 ungarische Betrüger, die sich das Bürgergeld und alle mit dem Status verbundenen Leistungen unberechtigt erschlichen und damit den deutschen Staat geschädigt hatten.
Zumindest wurde in der deutschen Presse ausschließlich über die Ungarn berichtet, welche Missbrauch begehen. (Bei der Durchsicht der verschiedenen Statistiken fiel auf, dass Ungarn gemessen an der Bevölkerungszahl, nicht zu den fünfzehn europäischen Ländern mit den meisten Flüchtlingen gehören würde. Jedes Nachbarland der Ukraine steht auf dieser Liste, nur wir nicht. Wenn wir gegen den Krieg sind, wenn wir keine Waffen liefern, leisten wir dann nicht unseren Beitrag zur Solidarität?)
Der ungarische Flüchtling aus der Ukraine ist nach Ansicht des deutschen Amtes ein Betrüger?
Stellen Sie sich diese Ungarn vor! Sie erklären Ukrainer zu sein, weil sie ukrainische Pässe haben. Wie können sie den deutschen Behörden erklären, dass sie echte ukrainische Flüchtlinge sind, die dort in der Ukraine geboren wurden und auch dort leben, wenn auch nicht aus freien Stücken, sondern aus historischen, geopolitischen Gründen. Sie sind dort eine seit über Tausend Jahren lebende autochthone, einheimische Minderheit. Das können sie aber nicht sein,
denn das ukrainische Recht erkennt u. a. die Ungarn nicht als autochthone Minderheit an. Nach ukrainischer Auffassung sollte eine ethnische Minderheit, wenn sie (nebenan) einen mehrheitlichen Nationalstaat hat, dorthin gehen, denn im ukrainischen Nationalstaat ist sie nur eine Enklave, ein störender Fremdkörper.
Der ukrainische Staat tut alles in seiner Macht Stehende, um sie entweder zu assimilieren, oder sie zu verunmöglichen, zu vertreiben. Diejenigen, die von den Ukrainern als nationale Minderheit anerkannt werden, wie die Krimtataren. Ungarn, Slowaken, Rumänen usw., sollen sich gefälligst in ihre „Heimatländer“ verziehen.
Da steht also der Ungar aus den Unterkarpaten mit seinem ukrainischen Pass im deutschen Amt und kann den ihm zugewiesenen deutsch-ukrainischen Dolmetscher nicht verstehen, weil der Dolmetscher seine Muttersprache, Ungarisch, nicht spricht.
Staatssprache? Vor dreißig Jahren hätte dieser Ungar in den Unterkarpaten Russisch als Staatssprache sprechen müssen und davor Tschechisch, obwohl er ein hier geborene Ungar (Nicht-Migrant) ist, der sehr wohl in seiner Heimat, in den Unterkarpaten lebt, die heute gerade zur Ukraine gehören.
Der Beamte schreibt neben seinen Namen, dass er nur Ungarisch spricht und es stellt sich auch noch heraus, dass er die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt. Ich nehme an, dass die 208 herausgefilterten Ungarn danach abgeschoben werden, denn ukrainische Ungarn bekommen kein Bürgergeld, nur echte ukrainische Ukrainer.
Ich habe mehrere Artikel zu diesem Thema gelesen und es hat den Anschein, dass weder die deutschen Behörden, noch die Journalisten, noch viele Kommentatoren den Kern des Problems verstehen. Ein besser informierter Leser weiß, dass „Berehowe“ in der Nähe der ungarischen Grenze liegt, also nimmt er an – während er irgendwelche korrupten Ungarn kennt oder erfindet -, dass unser Mann den ukrainischen Pass gekauft haben soll, um dem deutschen Staat zu schaden.
Ich nehme an, dass sie auch nicht verstehen, wenn wir sagen, dass auch Ungarn im Krieg kämpfen und sterben. Vielleicht halten sie sie für Söldner, denn in den ukrainischen Reihen gibt es auch deutsche, britische, französische usw. Söldner.
Es wäre besser für die Ungarn aus den Transkarpaten in Ungarn zu bleiben. Von Ungarn aus würden sie sicher nicht auf Verlangen der militärischen Führung und des ukrainischen Präsidenten in die Ukraine abgeschoben werden.
Autorin, Dr. phil Irén Rab ist Kulturhistorikerin
Deutsche Übersetzung von Dr. Andrea Martin
MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20240301-mikor-ukran-es-mikor-nem-a-karpataljai-magyar