25. November 2024
Wie viele Menschen aus Ungarn gerieten während des Zweiten Weltkriegs in sowjetische Kriegsgefangenschaft, wie viele Zivilisten wurden in die Sowjetunion deportiert, und wie viele von ihnen durften zu ihren Angehörigen zurückkehren?
Seit 2016 führten das Ungarische Nationalarchiv und das Russische Staatliche Militärarchiv Verhandlungen, die am 8. April 2019 zu einer Vereinbarung über die Übergabe digitaler Kopien der Registrierungsakten (учётная карточка) von insgesamt 681.955 ungarischen Soldaten und Zivilisten führten. Die Personen wurden während des Zweiten Weltkriegs von der Roten Armee gefangen genomen und anschließend als Kriegsgefangene registriert oder in der Sowjetunion interniert. Die Kopien wurden von einer Datenbank mit kyrillischen Buchstaben in russischer Sprache begleitet, die die wichtigsten Informationen zu den Registrierungsakten der einzelnen Personen enthält.
Die erste Ausgabe der Datenbank der ungarischen Gefangenen in den sowjetischen Lagern, die das Rückgrat dieser Sammlung bildet, ist das Ergebnis der Bearbeitungsarbeiten, die im Januar 2020 begannen und seitdem andauern. Die Datenbank ist verfügbar unter https://adatbazisokonline.mnl.gov.hu/gyujtemeny/szovjetunioba-elhurcoltak
Als die sowjetische Rote Armee im Herbst 1944, in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, die ungarische Grenze überschritt, begann sie fast sofort damit, Zivilisten, Männer und Frauen im Alter zwischen 16 und 55 Jahren, zusammenzutreiben und in Arbeitslager zu schicken. Einige wurden zur Zwangsarbeit gebracht, um die im Weltkrieg verlorenen Arbeitskräfte zu ersetzen, andere wurden als “ Sicherheitsvorsorge “ ihrer grundlegendsten Menschen- und Bürgerrechte beraubt, da sie als potentielle Feinde betrachtet wurden.
Eine sowjetische Schätzung von 1949 gab die Zahl der ungarischen Gefangenen mit 534 539 an,
von denen ein Drittel Zivilisten waren. In dieser Zahl sind jedoch weder diejenigen enthalten, die in den Sammel- und Durchgangslagern oder während des Transports starben, noch die zehntausenden ungarischen Soldaten, die im Januar 1943 entlang des Don gefangen genommen wurden und starben. Die Ungarn waren in etwa tausend Arbeitslagern vom Polarkreis bis zum Schwarzen Meer verstreut, und die Zahl der Hingerichteten und der an Hunger und Krankheiten Gestorbenen wird auf etwa 200.000 geschätzt.
Am 25. November 1953 kehrten 1.500 politische Gefangene aus der Sowjetunion nach Hause zurück, deshalb ist der 25. November ist der Tag des Gedenkens an die in die Sowjetunion deportierten ungarischen politischen Gefangenen und Zwangsarbeiter. Der Tag gedenkt all derer, die in die Sowjetunion verschleppt, ihrer Menschen- und Bürgerrechte beraubt und in einem fremden Land, Tausende von Kilometern von ihrer Heimat entfernt, unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen zur Zwangsarbeit gezwungen wurden.
Wir erinnern uns an diejenigen, die unter dem Vorwand des „Malenkij Robots“ zusammengetrieben und größtenteils in die Industrieregion Donbass jenseits der Ukraine, entlang des Don, gebracht wurden, wo sie in Bergwerken, Fabriken, Kolchosen, Eisenbahnlinien und auf verschiedenen Großbaustellen arbeiten mussten. Die meisten starben dort, weit weg von ihrer Heimat. Der harte russische Winter, die schrecklichen Arbeitsbedingungen und die erniedrigende Behandlung brachten sie um.
Sie waren Opfer des unmenschlichen sowjetischen kommunistischen Regimes
– wie auch die fast 30 Millionen Bürger der Sowjetunion, die ebenfalls vom kommunistischen Regime zum Tode verurteilt wurden.
Die Opfer des „Malenkij-Robots“ waren aber nur ein Bruchteil der deportierten ungarischen Zivilbevölkerung. Der andere Teil setzte sich aus politischen Gefangenen zusammen. Ihr Schicksal war noch schlimmer. Sie wurden nach Ostsibirien gebracht, wo sie viele weitere Jahre unter noch schlimmeren Bedingungen verbringen mussten. Der Ort der Verbannung war so weit entfernt und ihre Strafen so lang, dass kaum jemand unter ihnen wirklich daran glaubte, dass sie eines Tages in ihre Heimat zurückkehren würden. Unter diesen politischen Gefangenen war die Zahl der Überlebenden noch geringer als bei den Opfern der Zwangsarbeiter.
János Rózsás (1926-2012), der den Gulag erlebt hatte, beschrieb die Rückkehr der politischen Gefangenen und ihre Aufnahme in der Heimat wie folgt: Ohne viel Aufhebens wurden wir namentlich von den Waggons in die auf den ungarischen Gleisen wartenden Wagen umgeladen. Der Zug fuhr mittags ab, die uns begleitenden unbewaffneten russischen Soldaten sprangen ab, winkten mit ihren Mützen und wünschten uns eine gute Reise. Der Zug rollte sanft über die damalige Behelfsbrücke über die Theiß. Es folgten rührende Momente.
„Wir sangen die Nationalhymne und beschlossen, dass wir, sollten wir irgendwo landen müssen, das liebe Land Ungarn küssen würden…“
Leider folgten auf die große Freude über die Rückkehr in die Heimat bald die Torturen der ungarischen Sowjetzeit, die Gefängnisse der Staatssicherheitsdienst, die Internierung und die ständigen Schikanen der Polizei.
Dieser Tag erinnert an alle unsere Landsleute, die ihr Leben für das Vaterland, für ihre ungarische Identität, für ihre politische oder religiöse Überzeugung oder für ihre Herkunft gegeben haben. Der Tag gedenkt all derer, die in die Sowjetunion verschleppt, ihrer Menschen- und Bürgerrechte beraubt und in einem fremden Land, Tausende von Kilometern von ihrer Heimat entfernt, unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen zur Zwangsarbeit gezwungen wurden.
Aus der Rede von János Latorcai, Vizepräsidenten des ungarischen Parlaments
Datenbank der Deportierten, erreichbar seit 25. Februar 2021: https://adatbazisokonline.hu/gyujtemeny/szovjetunioba-elhurcoltak