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Der Geist von Mediasch (Medgyes), 1919

8. Januar 2025

Am 8. Januar 1919 versammelten sich 138 Vertreter der Siebenbürger Sachsen in der Aula des Mediascher (Medgyes) Gymnasiums und berieten über die Haltung, die die sächsische Gemeinschaft gegenüber dem gerade entstandenen Großrumänien einnehmen sollte. Nach der rumänischen Nationalversammlung in Karlsburg (Gyulafehérvár/Alba Iulia) am 1. Dezember 1918 hatte König Ferdinand mit dem Dekret-Gesetz vom 11./24. Dezember 1918 die Vereinigung Siebenbürgens mit dem „Altrumänien“ noch vor Beginn der Friedensverhandlungen in Paris faktisch vollzogen. Von den anderen Ethnien im Lande wurde erwartet, dass sie ihre (zustimmende) Haltung zum neuen Staat erklärten. Siebenbürgen war zu dieser Zeit rechtmäßig Teil des Königreichs Ungarn.

Acht Stunden lang tagte diese „Sächsische Nationalversammlung“ in Mediasch, ehe sie den Beschluss zum Beitritt fasste und eine Erklärung „An unser Volk“ verabschiedete, die sich natürlich auch an das rumänische Volk richtete und alsbald auch dem König überreicht werden sollte. Darin

„spricht das sächsische Volk, indem es sich auf den Boden des Selbstbestimmungsrechtes der Völker stellt, seinen Anschluss an das Königreich Rumänien aus und entbietet dem rumänischen Volke seine brüderlichen Grüße und herzlichen Glückwünsche zur Erfüllung seiner nationalen Ideale“.

Bekanntlich erfüllten sich die in der Mediascher Erklärung zum Ausdruck gebrachten Hoffnungen nicht, was ein wesentlicher Grund für die bald danach einsetzenden Radikalisierung auch der sächsischen Gemeinschaft war. So geriet die Mediascher Erklärung selbst bei den Sachsen bald in Vergessenheit und auch die Kommunisten hatten keinerlei Grund, ihrer zu gedenken.

BESCHLUSS VON MEDIASCH,  8. JANUAR, 1919 (Originalquelle)

Die am 8. Januar 1919 in Mediasch abgehaltene Nationalversammlung der Siebenbürger Sachsen hat einstimmig folgenden Beschluss gefasst.

Die Weltereignisse haben für das Gebiet, auf dem das Volk der Siebenbürgen Sachsen vor fast 800 Jahren seine Heimat begründet hat – neue Tatsachen geschaffen. König Ferdinand von Rumänien hat in seinem Dekrete von 11/24 Dez. 1918 die Herrschaft über dieses Gebiet aus gesprochen und angetreten. Der zahlreichste Volksstamm Siebenbürgens und der angrenzenden Teile Ungarns aber hat in seiner Karlsburger (Gyulafehérvár) Nationalversammlung den Anschluss an Rumänien erklärt. Durch die Vereinigung Siebenbürgens und der von Rumänen bewohnten Teile Ungarn mit Rumänien wird ein Gesamtgebiet geschaffen, dessen Zusammengehörigkeit in den ethnographischen Verhältnissen begründet ist.

Angesichts dieser Tatsachen und in der Überzeugung, dass sich hier ein weltgeschichtlicher Vorgang vollzieht spricht das Sächsische Volk in Siebenbürgen, in dem es sich auf den Boden der Selbstbestimmungsrechtes der Völker stellt, seinen Anschluss an das Königreich Rumänien aus und entbietet dem rumänischen Volke seiner brüderliche Grüsse und herzlichen Glückwünsche zur Erfüllung seiner nationalen Ideale.

Das sächsische Volk Siebenbürgens trägt damit nicht nur der Weltgeschichtlichen Entwicklung Rechnung, sondern auch dem innern Rechte des rumänischen Volkes auf Vereinigung und Staatenbildung und spricht die zuversichtliche Erwartung aus, dass sich das rumänische Volk seine altererbte Tüchtigkeit zur Verfügung stellt.

Das sächsische Volk, das Jahrhunderte hindurch eine verfassungsmäßige Selbstverwaltung besaß, die ihm entgegen feierlicher und gesetzlicher Zusicherung widerrechtlich entzogen wurde, erwartet ferner, dass es ihm niemals unmöglich gemacht werde, sich als eine ihrer Volktums bewusste nationale und politische Einheit in aller Zukunft zu behaupten und zu entwickeln in der Voraussetzung, dass der neue Staat ihm alles gerne bieten und geben wird, was es als seine Lebensbedingungen ansieht.

Eine Gewähr hiefür sieht in den Karlsburger Beschlüssen der rumänischen Nationalversammlung, in denen ausgesprochen ist, dass jedes Volk sich in seiner Sprache und durch seine Söhne leiten, unterrichten, verwalten und rechtsprechen und in Gesetzgebung und Regierung die entsprechende Vertretung erhalten soll, die für Kirche und Schule Autonomie gewährleisten und überhaupt eine gerechte und wohlwollende Berücksichtigung aller freiheitlichen, nationalen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte der Völker und damit auch unseres Volkes verbürgen.

Das sächsische Volk stimmt ferner dem Beschlusse der Karlsburger Nationalversammlung zu, wonach auf dem Friedenskongress die Gerechtigkeit und die Freiheit für die großen und die kleinen Nationen gleichmäßig gesichert werden sollen und sieht darin eine dauernde Bürgerschaft für den Frieden der Völker.

Es hofft und wünscht, dass auch die übrigen deutschen Volksgenosssen im neuen Staate sich seinem Vorgehen anschliessen werden und spricht die Erwartung aus, dass die Rechte, die ihm gebühren, auch den übrigen Deutschen anerkannt werden und dass die völkische und politische Zusammengehörigkeit aller Deutschen in dem neuen Staat anerkannt wird,

Im vollen Bewusstsein der Bedeutung seines Entschlusses

betrachtet sich das sächsische Volk von heute an als ein Glied des rumänischen Reiches, seine Söhne und Töchter als Bürger dieses Staates.

Es bittet Gott, dass er den verantwortungsvollen Schritt, den es zu tun, sich verpflichtet fühlte – zum Guten Lenke und mit seinem Segen begleite:

Dr. Hans Otto Roth Sekretär und D. Schuller Präsident

Quelle

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