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Ursula, die Krisenmanagerin

23. Juli 2024 Magyar Hírlap von IRÉN RAB

Ich weiß nicht, wie viele Europäerinnen und Europäer am Mittwochabend noch einen einzigen Cent auf die Wahl von Ursula von der Leyen am nächsten Tag gewettet hätten, wenn sie denn vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs an diesem Tag überhaupt gehört hätten. Was viele erwartet hatten, ist eingetreten:

Die gesamte Kommission und ihre amtierende Präsidentin sind verurteilt worden.

Vierundzwanzig Stunden vor der Wahlprozedur im Europäischen Parlament! Nach Ansicht des Gerichts hat Ursula von der Leyen einen schweren Rechtsverstoß begangen, indem sie die Öffentlichkeit (sprich die Abgeordneten des Europäischen Parlaments) nicht über die Einzelheiten des 37-Milliarden-Euro-Impfstoffvertrags informiert hat. Denn es ist offensichtlich, dass die Kommission die Geschäftsinteressen der Pharmaunternehmen über das höchste Gut der EU, die Transparenz, gestellt hat.

die Dringlichkeit setzte das verbindliche Protokoll der WHO außer Kraft. Wenn jemand wegen Gesundheitsschäden klagt, ist der Beklagte nicht der Impfstoffhersteller, sondern die EU und ihre Mitgliedstaaten, und für die Schäden sollten auch sie aufkommen. Der Kampf zur Eindämmung der Epidemie und zur Rettung des Lebens der europäischen Bürger überschrieb alle Protokolle und gab den Auftraggebern eine Ausnahmeregelung in Bezug auf den Inhalt des Vertrags und die Art und Weise, wie er in Auftrag gegeben wurde.

Der Impfstoffbeschaffungsskandal, die so genannte Pfizer-Affäre, hat viele Komponenten. Ursula von der Leyen hat die Beschaffung ohne Mandat in die Hand genommen. Sie handelte willkürlich, notfalls per SMS, wenn der Hersteller es so wünschte, und schloss gegen die Interessen der Mitgliedstaaten Verträge ab. Sie verstieß gegen das Wettbewerbsrecht, indem sie der deutschen Firma BioNTech ein Monopol verschaffte. Dabei erhöhte der Hersteller den Preis des Impfstoffs um 25 %, aber die Kommission zahlte wie ein Zahlmeister, obwohl die überdimensionierte Bestellung seinerzeit bedeutete, dass später abgelaufene Impfstoffe im Wert von 4 Milliarden Euro vernichtet werden mussten. Zahlreiche Menschen haben diesen balkengroßen Splitter im Auge gemerkt.

Dieser Klage haben sich viele angeschlossen, darunter auch der ungarische und – bis Donald Tusk dort an die Macht kam – auch der polnische Staat. Das unabhängige Gericht akzeptierte die Klage, aber der Prozess wurde auf Herbst 2024 verschoben und das Schnellverfahren wurde abgelehnt. Sie wollten nicht, dass der Fall die Wahlen zum Europäischen Parlament beeinflusst. Es stellt sich die Frage:

Wie weit reicht die Hand von Ursula von der Leyen und der globalen Macht, die hinter ihr steht? Wer sind diejenigen, die verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt?

Es waren die Grünen, die gegen die Kommission und ihre Präsidentin vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt haben, und sie haben wahrscheinlich auch dafür gesorgt, dass das Urteil am Tag vor der Wahl verkündet wird. Ich kann mir auch bildlich vorstellen, dass Ursula verzweifelt zwischen Brüssel und Straßburg hin und her rannte, um der Erpressung der Grünen nachzugeben, d.h. ihnen im Tausch gegen ihre Stimmen alles Mögliche zu versprechen.

Aus dem Wahlergebnis geht hervor, dass sie erfolgreich verhandelt haben, die Erpressung hat funktioniert. Die alles fressende Volkspartei hatte Wochen zuvor einen Deal mit den Sozialisten gemacht, indem sie ihnen Vizepräsidentschaften versprochen hatte, und zwar eine unverhältnismäßig große Anzahl davon: Die Fraktion mit 136 Personen erhielt fünf, während die Konservativen und die Patrioten, die zusammen 182 Sitze haben, nur einen Vizepräsidenten-Posten erhielt. So entstand die „extreme Mitte“, die vielleicht die beste Bezeichnung für die Formation ist, die nun fünf Jahre lang die Europäische Union regieren wird.

Brave Europäer mit konservativen Werten haben wie üblich die EVP-Kandidaten gewählt, die sich dann mit allen Fraktionen links von ihnen zur extremen Mitte zusammenschlossen.

Aber glauben wir nicht, dass das schon alles gewesen sei! Ursula wollte auf Nummer sicher gehen und wusste, dass ihr Hauptgegner – oder besser gesagt „Vorgesetzter“ – Viktor Orbán, ein angesehener und erfahrener Politiker, ihre Wiederwahl trotz all ihrer krummen Geschäfte verhindern könnte. Immerhin hat Orbán bei zahlreichen Gelegenheiten erklärt, dass er mit der EU- Führungsriege, einschließlich ihrer selbst, unzufrieden ist. Doch obwohl er ihr Chef ist, hat er im getreuen Rat der europäischen Chefs nur eine Stimme. Orbán hat das genutzt, er war der Einzige, der gegen sie gestimmt hat, und er hätte in seiner Programmrede als gerade amtierender Ratspräsident sicherlich dargelegt, warum er mit ihrer fünfjährigen Leistung unzufrieden ist.

Orbán hätte am Freitag, nach der Wahl sprechen können, wenn die gut bezahlten Abgeordneten nicht mehr da sind, weil das lange Wochenende beginnt. Wie die Di-Mi-Do-Professoren an deutschen Universitäten, die nur von Dienstag bis Donnerstag zu Vorlesungen bereit sind.

Und dann ist da noch Orbáns „nicht mandatierte“ Friedensmission, die zweifellos die Unterstützung der großen Mehrheit der europäischen Bürger gefunden hat. Einige haben den ungarischen Premierminister sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Für Brüssel muss es ein echter Schock gewesen sein zu sehen, wie der Führer eines verachteten „osteuropäischen“ Landes in zehn Tagen um die Welt reist, auf höchster Ebene empfangen wird und mit den führenden Politikern der Welt über die Möglichkeit des Friedens diskutiert.

Denn es scheint, dass heute bis auf Brüssel und Washington alle den Krieg in der Ukraine beenden wollen. Der Friedensprozess zeigt das Gewicht und die Autorität der ungarischen Diplomatie, steht aber im Widerspruch zu den Plänen von Ursula in Brüssel. Daher wurde der Boykott schnell aus dem politischen Instrumentarium hervorgeholt (Sanktionen gegen einen Mitgliedstaat sind ja nicht vorgesehen) und Ursula kündigte an, dass die Kommission lediglich Unterhändler auf Beamtenebene für die Ministertreffen nach Budapest schicken werde. Was für kleinliche Gestalten, was für ein hinterhältiger Versuch, Orbán zu diskreditieren!

aber es scheint, dass die mitteleuropäische Region in der Brüsseler Frage anders denkt. Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft lässt sich nicht verhindern (sie würden sogar das gerne tun), also versuchen sie, sie zu entwerten und unmöglich zu machen.

Ursula trug zur Wahl aus Aberglauben den gleichen rosa Blazer und die gleiche schwarze Hose wie vor fünf Jahren. Es kam ihr nicht einmal in den Sinn, dass das Urteil vom Vortag sie dazu bringen könnte, die Kandidatur zurückzuziehen oder zu verschieben. Sie ging auf Nummer sicher.

Die Lobbyarbeit, das Feilschen, die Versprechungen und der Ausverkauf hatten sich ausgezahlt: Vierhunderteinundvierzig Abgeordnete des Europäischen Parlaments hielten sie für geeignet, die Europäische Kommission für weitere fünf Jahre zu führen.

Diese Leute haben entweder die letzten fünf Jahre verschlafen oder sie haben den ganzen Segen der letzten fünf Jahre auf ihren prall gefüllten Bankkonten gefunden. Es ist auch möglich, dass sie vom Gerichtsurteil gar nichts gehört haben, weil sie nicht wollten, dass schlechte Nachrichten ihre Entscheidung beeinflussen. Und sie haben sich gefreut, als sie nach der Wahl in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Deutschlands einflussreichster Zeitung, lesen konnten, dass sie eine echte Politikerin mit Mumm gewählt haben, eine Präsidentin mit eisernem Willen, welche das Schiff der Europäischen Union in Zeiten der Krise, in Zeiten der Skandale und in Zeiten der Seeungeheuer wie Scylla und Charybdis steuern kann. Eine solche erfahrene und engagierte Krisenmanagerin, die durch die Coronavirus-Epidemie und den Angriffskrieg gegen Russland in der Ukraine gestärkt wurde, brauchen die Mitgliedstaaten nach wie vor.

Jemanden, der seine eigenen Krisensituationen immer im Griff hat, weil er aus allem herausgleitet wie ein Fisch.

Autorin, Dr. phil Irén Rab ist Kulturhistorikerin, Chefredakteurin von Ungarnreal

Deutsche Übersetzung: Dr. Andrea Martin

MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20240722-ursula-a-valsagmenedzser

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