24,. April 2025 Libratus von Bence Bauer
Ungarn wird seit dem Amtsantritt der konservativen Kräfte vor 15 Jahren ständig von linken, linksliberalen und grünen Kreisen aus Deutschland und Europa heftig für seine Politik kritisiert. Dabei sagen die Angriffe gegen die ungarische Staatsführung meist mehr über die Kritiker selbst aus und sind bei Lichte betrachtet auch ein Abbild der Seele der deutschen Gesellschaft. Oftmals ist von den Vorwürfen schlicht das Gegenteil der Fall. Wie so oft gilt auch hier in Anlehnung an den bekannten satirischen Zweizeiler: „Die schärfsten Kritiker der Elche // waren früher selber welche!“ [1] (Bernstein, 1981, S. 13) Vieles, was der ungarischen konservativen Politik zum Vorwurf gemacht wird, trifft viel mehr auf das grün-linke Deutschland der Ampelregierung und die Ergebnisse der Politik des in diesen Wochen kollabierenden links-liberalen Regierungsbündnisses zu.
Es lohnt sich, die Regierungspraxis des mittelgroßen Landes in Ostmitteleuropa aufmerksam zu verfolgen, denn gerade in den Bereichen Wirtschafts-, Gesellschafts-, Familien-, Migrations- und Sicherheitspolitik können die Ungarn stabile und belastbare Resultate vorweisen und sind auch international Vorbild für viele Konservative. Eine erfolgreiche konservative Politikgestaltung, die weltweit Beachtung findet und auch in Ungarn gut angenommen wird, kann vielleicht auch für das deutsche bürgerliche Lager Impulsgeber und Wegweiser sein, wenngleich die deutsche Politik nationale Befindlichkeiten berücksichtigen muss. Sich von anderen inspirieren lassen, aus deren Erfolgen und Misserfolgen eigene Schlüsse zu ziehen, kann auch Grundlage einer erfolgreichen konservativen Politik in Deutschland sein. Die Grundpfeiler bürgerlicher Politik, die erstmals 2023 in Ungarn prägnant formuliert wurden, können hierbei eine wichtige Hilfestellung sein.
Vor diesem Hintergrund soll der vorliegende Text zum besseren Verständnis und zum Abbau von Missverständnissen im deutsch-ungarischen Verhältnis beitragen. Im Folgenden wird auf zehn ausgewählte Kritikpunkte der gegenseitigen unterschiedlichen Wahrnehmung eingegangen:
1. Antisemitismus
Oft war in Europa der Vorwurf erhoben worden, Ungarn und dessen Regierung seien antisemitisch eingestellt, das jüdische Leben wäre bedroht. Das Gegenteil trifft zu. Ungarn hat die drittgrößte jüdische Gemeinde in der Europäischen Union mit einer großen Vielfalt jüdischen Lebens und jüdischer Glaubensgemeinschaften. Budapest ist die einzige Hauptstadt Europas, in der mehr Juden als Muslime leben. Juden können in Ungarn gefahrlos leben, jüdische Kultur und jüdisches Geistesleben erleben eine Renaissance. Die ungarische Regierung fördert großzügig die Erneuerung von Synagogen und Einrichtungen der jüdischen Gemeinden. Regelmäßig finden jüdische Festivals statt, die Heimspiele der jüdischen Fußballvereine – und internationale Spiele von Mannschaften aus Israel – werden in Ungarn ausgerichtet, weil andernorts in Europa nicht für die Sicherheit der jüdischen Spieler und Fans garantiert werden kann. Nicht so in Ungarn: Das Land ist traditionell stark den jüdisch-christlichen Wurzeln verbunden und hat keine nennenswerte muslimische Population aus anderen Kulturkreisen. Während in Deutschland die Zahlen antisemitischer Straftaten seit Jahren nach oben gehen und im vergangenen Jahr die 5.000er-Marke überschritten, bewegen sie sich in Ungarn seit Jahren im niedrigen zwei- bis dreistelligen Bereich – und davon war selbst im Spitzenjahr 2023 lediglich nur eine einzige Gewalttat zu verzeichnen gewesen. Nach der umstrittenen Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs, gegen den israelischen Ministerpräsidenten einen internationalen Haftbefehl auszustellen, erklärte die ungarische Regierung, dass sie dies nicht akzeptieren und bestimmt nicht umsetzen werde. Dass antisemitische Hetze und Propaganda ausgerechnet in Deutschland folgenlos bleiben kann – man erinnere sich an die Demonstrationen nach dem 7. Oktober 2023 und die mangelnde Strafverfolgung – und dass breite migrantische Kreise einen täglich gelebten Antisemitismus verbreiten können, wird nicht nur in Ungarn mit großer Sorge betrachtet.
2. Demokratie und Parteien
In Ungarn ist es nicht möglich, Parteien durch das Verfassungsgericht verbieten zu lassen. Stattdessen ist es die Stärke der Demokratie in Ungarn, auch politische Gruppierungen zu tolerieren, die nicht die Meinungen der großen Mehrheit artikulieren. Zur Resilienz des demokratischen Systems gehört, diese nicht auszugrenzen oder zu verdammen, sondern einzubinden und dadurch einzuhegen. Andere Meinungen oder Politikentwürfe sind zu tolerieren. Dies trifft auch auf Parteien zu, die die Regierung von links oder rechts kritisieren. Kritik muss man aushalten, dies gehört zum demokratischen Geschäft. Dass demokratisch gewählten Parteien die ihnen zustehende Posten in Ausschüssen o.ä. nicht zugesprochen werden, ist in Ungarn inakzeptabel. Allen, die es ins Parlament geschafft haben, stehen die gleichen Rechte zu. Die Diskussionen in Deutschland, unliebsame Parteien auszugrenzen, einzumauern oder gar zu verbieten oder ihnen die staatliche (Stiftungs-)Finanzierung zu versagen, wären in dieser Form so in Ungarn zumindest vollkommen undenkbar.
3. Einmischung
Ungarn wird oft vorgeworfen, sich in die inneren Angelegenheiten seiner Nachbarstaaten wie Rumänien, der Slowakei, Nordserbien und der Ukraine einzumischen. Kritiker sehen in der ungarischen Minderheitenpolitik den Versuch, politischen Einfluss auf diese Staaten auszuüben. Dazu zählen die Vergabe ungarischer Staatsbürgerschaften an im Ausland lebende ethnische Ungarn, finanzielle Unterstützung ungarischer Bildungseinrichtungen im Ausland, sowie die Förderung ungarischsprachiger Medien. Solche Maßnahmen, etwa in Nordserbien oder in Transkarpatien, werden teils als Eingriffe in die staatliche Souveränität interpretiert. Aus ungarischer Sicht sind diese Maßnahmen jedoch legitime Schritte im Sinne internationaler Minderheitenschutzkonventionen. Ziel sei der Schutz der kulturellen Identität und Muttersprache ungarischer Gemeinschaften, die durch historische Grenzverschiebungen außerhalb der Staatsgrenzen leben. Das vereinfachte Staatsangehörigkeitsrecht dient dazu, die Bindung zwischen Ungarn und seinen Minderheiten zu stärken, ohne die territoriale Integrität der Nachbarländer zu gefährden. Die ungarische Regierung verweist zudem darauf, dass Kritiker aus Deutschland und der EU hier mit zweierlei Maß messen. So griff die deutsche Regierung etwa im Vorfeld der brasilianischen Präsidentschaftswahl 2022 in die politische Prozesse des Landes ein, indem sie Luiz Inácio Lula da Silva indirekt unterstützte und Umweltauflagen als Druckmittel gegen Präsident Bolsonaro einsetzte – ein international als politischer Eingriff gewertetes Vorgehen.
Während ungarische Maßnahmen zur Unterstützung ethnischer Minderheiten als problematische Einmischung gelten, werden vergleichbare Praktiken Deutschlands als legitime Förderung demokratischer Werte angesehen. Diese Doppelmoral zeigt eine grundlegende Diskrepanz in der Wahrnehmung außenpolitischer Aktivitäten.
4. Meinungsfreiheit
In Ungarn herrscht umfassende Meinungsfreiheit. Einschränkungen sind nur in absoluten Ausnahmefällen (Volksverhetzung, Antisemitismus, Holocaustleugnung, Verstoß gegen die Menschenwürde etc.) zulässig. Prinzipiell gilt, dass in Ungarn alle Meinungen sowie die gegenteiligen Standpunkte anzutreffen sind. Die Menschen lassen sich nicht den Mund verbieten. In Deutschland hingegen kann der Arbeitgeber ihm nicht genehme Meinungen sanktionieren. Zum Beispiel gibt es die Einrichtung der sog. Tendenzbetriebe, bei denen der Arbeitgeber eine botmäßige Haltung erwarten darf – nicht so in Ungarn. Diese schmerzhafte Erfahrung musste der ungarische Torwarttrainer eines deutschen Bundesligavereins machen, nachdem er sich in einem Zeitungsinterview kritisch zur Willkommenspolitik äußerte: Er wurde fristlos entlassen. Dass die Polizei frühmorgens anrückt und aufgrund des Straftatbestandes der „Majestätsbeleidigung“ (Paragraf 188 des deutschen Strafgesetzbuches) unbescholtene Bürger verhört und ihre Geräte beschlagnahmt, ist in Ungarn unvorstellbar.
5. Pressefreiheit
In Ungarn gibt es eine große Bandbreite an Medien unterschiedlichster politischer Couleur, allerdings sind sie, wie auch das ganze Land und sein öffentlicher Diskurs, polarisiert und geteilt. Jede politische Seite hat eigene Medien, eigene Öffentlichkeiten und auch eigene Diskurse. Die Stärke der Demokratie besteht darin, auch Unangenehmes hinzunehmen, das unterscheidet sie von der Diktatur. Dass eine Zeitung vom Innenminister verboten wird – wie beim Compact-Verbot in Deutschland – ist für einen Ungarn nur schwer verständlich. Stattdessen erscheinen in Ungarn die unterschiedlichsten politischen Medien, ohne dass diese in irgendeiner Weise drangsaliert, an den Rand gedrängt oder verboten würden – auch jene, die sehr regierungskritisch eingestellt sind.
6. Rechtsstaatlichkeit
In den vergangenen Jahren gab es viele internationale Debatten über den Stand der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn. Die konkreten Fragen rund um den neuen EU-Konditionalitätsmechanismus wurden von der ungarischen Regierung nach eigener Auffassung mit umfassenden Maßnahmen beantwortet. Auf die erwartete Freigabe der zuvor gesperrten EU-Gelder folgte die Aussage der Kommission, dass die eingeleiteten Maßnahmen der ungarischen Regierung zunächst einmal dem Praxistest zu unterwerfen seien. Damit ist die Auszahlung der EU-Mittel auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben worden. Im Gegensatz dazu bekam die neue linksliberale polnische Regierung ihre suspendierten Gelder sofort zugesprochen, ohne auch nur eine einzige Gesetzesänderung vollzogen zu haben. In Ungarn werden derartige EU-Entscheidungen mit zweierlei Maß sorgfältig registriert. Auch wird genau zur Kenntnis genommen, dass der deutsche Rechtsstaat im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung einige Schwächen aufweist, insbesondere was die Abschiebung illegal eingewanderter Migranten angeht oder etwa die Strafverfolgung der antisemitischen Hamas-Demonstranten, die mit ihrem hetzerischen Auftreten gegen Israel möglicherweise die Bestimmungen der Paragrafen 86a, 104, 130 und 140 StGB verletzt haben. In Ungarn hingegen verfolgt der Staat bezüglich Antisemitismus und Kriminalität eine Null-Toleranz-Politik. Die Kriminalitätszahlen sind massiv nach unten gegangen. Rechtsstaatlichkeit bedeutet auch, dass unbescholtene Bürger in Frieden und Sicherheit leben können und der Staat ihre diesbezüglichen Rechte – etwa auf körperliche Unversehrtheit – sicherstellt. Die deutschen und italienischen Antifa-Schläger, die wahllos Passanten auf den Straßen Budapests krankenhausreif prügelten, kommen nicht etwa straffrei davon, sondern müssen sich auf harte Gefängnisstrafen einrichten. Ausnahme hiervon ist die Italienerin Ilaria Salis, die es 2024 auf dem Ticket der italienischen Grünen in das Europaparlament schaffte und seither Immunität genießt. Sie musste freigelassen werden, das Verfahren wurde eingestellt.
7. Roma
Ein gängiger Vorwurf gerade in linksliberalen deutschen Medien geht dahin, dass die Minderheit der Roma segregiert, ausgegrenzt und entrechtet würde. Genau das Gegenteil ist der Fall. Bereits mit der erfolgreichen EU-Roma-Strategie, die von der EU-Ratspräsidentschaft Ungarns im Jahr 2011 vorangetrieben wurde, konnten wichtige Pflöcke hin zur nachhaltigen Integration dieser vulnerablen Personengruppe eingeschlagen werden. Darüber hinaus wurden mittels der auf Arbeit basierten Beschäftigungs- und Sozialpolitik etwa eine Million neuer Arbeitsplätze geschaffen. Hiervon konnte vor allem die nicht aktive Roma-Bevölkerung profitieren, die besonders stark zu den Nutznießern dieses neuen Sozialpakts zählt. In den Jahren der konservativen Regierung konnten sowohl die Beschäftigungsquote als auch die soziale Situation der Roma spürbar verbessert werden. Ihre Integration schreitet positiv voran. Damit gehören die Roma zu den Unterstützern dieser arbeitsbasierten Gesellschaft und verleihen ihrer Meinung auch in der Wahlkabine Ausdruck. In Ungarn gibt es kein Bürgergeld, sondern Arbeit für alle nach dem alten CDU-Motto: „Sozial ist, was Arbeit schafft“. Die ungarische Gesellschaft nimmt dieses Modell mit großem Zuspruch an und kann schwerlich begreifen, warum dies in Deutschland nicht ebenso funktionieren kann.
8. Staatsangehörigkeitsrecht
Die erste Maßnahme der konservativen Parlamentsmehrheit im Jahr 2010 zielt auf eine Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts, um Auslandsungarn den Erwerb der Staatsbürgerschaft niedrigschwellig anbieten zu können. Die ungarische Regierung wurde für diesen Schritt, der den im Ausland lebenden eigenen Landsleuten helfen sollte, vor allem im Ausland massiv kritisiert. Bisher erlangten rund 1,2 Millionen Menschen ihre ungarische Staatsangehörigkeit. Im Übrigen kenne viele andere Länder das Institut der Staatsbürgerschaft für eigene im Ausland lebende Landsleute. In Deutschland hingegen wurde dieser Schritt von Politik und Medien aufs Heftigste attackiert. Wenige Jahre später verabschiedete die Ampel-Regierung indes ein Gesetz, das es den Migranten ermöglicht, bereits nach fünf Jahren, in besonderen Fällen schon nach drei Jahren, die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben zu können. Schätzungen zufolge werden viele Millionen Menschen, wohlgemerkt keine autochthonen Deutschen, den deutschen Pass und somit auch das Wahlrecht bekommen.
9. Wahlrecht
Die ungarischen Wahlrechtsreformen der Jahre 2011 bis 2013 wurden von deutschen Beobachtern in vielen Teilen lautstark beanstandet. Dabei handelte es sich um geringfügige Änderungen eines reformbedürftigen Systems. Das ungarische Wahlrecht war und ist ein Grabenwahlrecht mit starken Mehrheitselementen – wie im Übrigen auch schon vor der Reform. So brachte das sehr vehement kritisierte Wahlrecht für Auslandsungarn nach einer kürzlich vorgelegten detaillierten Studie im Durchschnitt der letzten Jahre nur ein einziges Parlamentsmandat für die Regierungsmehrheit. Dahingegen begünstigen die Kompensationselemente im ungarischen Wahlrecht die Opposition stärker als die Regierung. Das ungarische Wahlrecht ist in seiner Transparenz und in seiner Strukturiertheit Modell für die internationale Wahlrechtsdiskussion, in Deutschland fordern sogar Teile der Union ein vergleichbares Grabenwahlrecht. Verabschiedet wurde in Deutschland von der Ampelkoalition hingegen eine Wahlrechtsnovelle, die erkennbar aktuelle Oppositionsparteien benachteiligt. Direkt gewählte Abgeordnete können in Deutschland auch bei erfolgter Wahl nicht sicher sein, dass sie in den Bundestag einziehen können, wenn das Ergebnis ihrer Partei bei den Listenstimmen nicht ausreichend ist – eine rechtsstaatlich wie wahlrechtstheoretisch und politisch fragwürdige Innovation. Interessanterweise ist bezüglich der deutschen Wahlrechtsreform keine internationale Debatte über das Demokratieverständnis der Regierungsparteien entbrannt. Auch die EU-Kommission oder die Venedig-Kommission intervenierten nicht – zu weit entfernt ist offensichtlich die Vorstellung, in Deutschland könne etwas nicht mit „rechten“ Dingen zugehen. Das Bundesverfassungsgericht kippte lediglich die angestrebte Abschaffung der Grundmandatsklausel, es ließ hingegen die Diskriminierung des Direktmandats gegenüber dem Listenmandat bestehen.
10. Zeitenwende
Ein oftmals vorgebrachter Vorwurf gegen Ungarn richtet sich danach, dass die Regierung die vermeintliche Zeitenwende von 2022 verschlafen habe, mit Russland kooperiere und sich mit der Ukraine „entsolidarisiere“. Auch dieser Vorwurf entspricht nicht unbedingt den Tatsachen. Ungarn hilft der Ukraine in einem großen Ausmaß humanitär, infrastrukturell und finanziell, es trägt alle Sanktionspakete, wenn auch zögerlich, mit. Das Land ist ferner der größte Stromlieferant des angegriffenen Landes. Außerdem arbeiten die Ukrainer in Ungarn legal ohne die Abführung von notwendigen Sozialversicherungsabgaben. Ungarn ist solidarisch mit dem angegriffenen Nachbarland und ließ pro Kopf die meisten Ukrainer ins Land, und es gibt entsprechend viele ukrainische Schulen.
Tatsächlich gab es in Ungarn nie eine Zeitenwende, da die ungarische Regierung sich immer über die Gefahr bewusst war, die von Russland ausging und sich entsprechend schrittweise und weitblickend vorbereitete.
Bereits 2016 wurde ein umfassendes Wehrertüchtigungsprogramm aufgelegt, das unter anderem in Kooperation mit der deutschen Rüstungsindustrie bemerkenswerte Früchte trägt. Die eigene Geschichte war den Ungarn immer Warnung davor, auf einfache Lösungen zu vertrauen, stattdessen verfügen sie über ein seismographisches Gespür für Bedrohungen und Gefahren – insbesondere vor jenen von außen. „Militärisch sind wir Falken, wirtschaftlich Tauben“, so der Slogan der ungarischen Entscheidungsträger mit Blick auf Russland. Es müsse der ungarischen politischen Führung gemäß möglich sein, auch mit Ländern und Regionen zu kooperieren, mit denen es nicht die gleichen Werte teile.
Viele Ungarn blicken voller Verblüffung auf Deutschland, das einen rapiden Kurswechsel in seiner Russlandpolitik vollzog und mit Sanktionen, Decoupling und einer zunehmenden Blockbildung immer mehr bereit zu sein scheint, seinen eigenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Handlungsspielraum einzuschränken.
Fazit
Anders als viele medial und politisch geführte Debatten in Deutschland erscheinen lassen, sind die Anschuldigungen gegen die ungarische Politik übertrieben, unverhältnismäßig und entsprechen oft nicht den Fakten. Sie spiegeln sehr häufig eigene Befindlichkeiten wider, sind nicht losgelöst von identitätspolitischen Elementen und entstammen einem besonderen deutschen Meinungskorridor mit einem Informationsradius, der sich weitgehend in einer Blase bewegt: Es darf nicht sein, was nicht sein darf. Oftmals entspricht die Realität vor Ort genau dem Gegenteil von dem, was mediale Ferndiagnostiker dem deutschen Publikum vermitteln wollen. Sehr oft werden Sachverhalte an Ungarn kritisiert, um die es auch in Deutschland und anderen Ländern nicht zum Besten steht. Ein gutes internationales Beispiel für die Voreingenommenheit und Selbsttäuschung der deutschen medialen und politischen Eliten waren die Erwartungshaltung und die Reaktionen bezüglich der US-Präsidentschaftswahl. Ein ähnliches Muster lässt sich auch im Fall der Attacken auf Ungarn festmachen. Es gilt die alte Erkenntnis: Alle Dispute in Deutschland über Ungarn sind zu einem Großteil auch innerdeutsche Debatten.
[1] Bernstein, F. W. (1981): Die schärfsten Kritiker der Elche: Gedichte, Zeichnungen, Bildergeschichten. Berlin: Klaus Wagenbach.
Der Autor, Bence Bauer ist Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit am Mathias-Corvinus-Kolleg in Budapest.
Erste Erscheinung: https://libratus.online/de/die-schaerfsten-kritiker-der-elche
Bildquelle: Csodálatos Magyarország